Präsidialansprache

30. Aug. 1999

Dr. Hans Jörg Huber, a. Ständerat, Zurzach, anlässlich der 40. ordentlichen Generalversammlung der SVA vom 31. August 1999 in Bern


I. Begrüssung

Es ist für mich eine grosse Freude, Sie alle zur 40. Generalversammlung der SVA im Kursaal Bern begrüssen zu dürfen.

  • Mein erster Gruss richtet sich an die Mitglieder der SVA. Die Stärke unserer Vereinigung besteht darin, dass Kollektiv- und Einzelmitglieder zusammen arbeiten zur Förderung der friedlichen Nutzung der Kernenergie in unserem an sich energiearmen Land, das aber von der Bevölkerung und vom Wirtschaftsplatz her grosse Ansprüche an die Verfügbarkeit von Energie stellt.
  • Mein weiterer Gruss gilt unserem Gastreferenten, Herrn Dr. Wolf-J. Schmidt-Küster. Er wird zu uns zum Thema "Kernenergie und Europa" sprechen. Ich danke ihm sehr für seine Bereitschaft, zu uns zu kommen und sich der Diskussion zu stellen. Innerhalb unserer 40 Jahre Existenz spielt er eine bedeutsame Rolle, indem er der einzige Referent ist, der bereits zum zweiten Mal an einer Generalversammlung der SVA ein Referat hält.
  • Ich freue mich, dass zahlreiche Gäste aus dem Parlament, der Verwaltung und der Branche unserer Einladung Folge geleistet haben.
  • Mein Gruss gilt den Vertretern der Medien, die unsere Botschaft ins Land hinaus tragen und denen wir in einer Pressekonferenz Rede und Antwort gestanden sind.
  • Ich begrüsse die Mitglieder der Organe der SVA: Die Mitglieder der Delegation, die Damen und Herren des Vorstandes und gleichermassen begrüsse ich die Mitglieder unserer Kommissionen, die während des Jahres für die SVA und ihre Aufgabe wertvolle Dienste leisten.


II. 40 Jahre SVA

Meine Damen und Herren, ein Wort zum 40. Geburtstag der SVA. Es ist hoch interessant und war für mich ein Erlebnis, in diesen noch nicht vergilbten, aber doch schon etwas ältlichen Akten den Tatsachen von damals nachzugehen.
Aus unseren Unterlagen ist ersichtlich, dass wir am 19. November 1998 den 40. Jahrestag der Gründung der SVA erlebten und damit dieses Jahr zur 40. Jahresversammlung einladen konnten. Das hat mich bewogen, einige Hauptaussagen aus dem 1. Jahresbericht unserer Vereinigung für die Zeit vom 19. November 1958 bis 31. Dezember 1959 in Erinnerung zu rufen.

  • Wer weiss schon, dass Gründer der SVA formell die Allgemeine Treuhand AG (Atag) in Bern sowie der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverband (SIA) waren.
  • Unser erster Präsident, den ich noch als Ehrenpräsident erlebt habe, war der Genfer Ständerat Dr. h.c. Eric Choisy. Ihm zur Seite stand als Sekretär Dr. Markus Redli, der später eine bedeutsame Karriere machte. Einer seiner Nachfolger - als Präsident meine ich - Herr Professor Dr. Walter Winkler, hat sich für diese Versammlung entschuldigen müssen. Er hat einen Schlaganfall erlitten und liegt im Kantonsspital Baden. Wir wünschen ihm gute Erholung und gute Besserung.
  • Nach etwas mehr als einem Jahr nach der Gründung hatte die SVA 335 Vereinsmitglieder, wobei die grosse Zahl von Universitätsprofessoren aus dem ganzen Land auffällt.
  • Die Tätigkeit der SVA im ersten Berichtsjahr war ausserordentlich intensiv. In sieben Kommissionen und Subkommissionen, in der Delegation und im Vorstand wurde gearbeitet.
  • Das wichtigste Ereignis in dieser 1. Berichtsperiode war die Verabschiedung des "Bundesgesetzes über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz" durch die Eidgenössischen Räte.
  • Das 1. Jahresprotokoll strahlt Zuversicht und Realisierungswillen, getragen von Industrie und Behörden, aus. Ich zitiere eine deutliche Aussage: "Der Bundesrat ist sich aber auch der überragenden Bedeutung der Atomenergie für die schweizerische Wirtschaft, sowohl für die zukünftige Energieversorgung unseres Landes als auch für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit unserer Exportindustrie, bewusst."
  • Das Parlament stand dieser Haltung der Exekutive nicht nach. Die Eidgenössischen Räte behandelten eine Botschaft für eine Starthilfe in der Höhe von 50 Millionen Franken für Reaktorprojekte.

Ich will hier meinen kurzen Rückblick schliessen mit der Bemerkung, dass man aus dem Geist des Anfanges für den Willen in der Zukunft lernen kann.

III. Das Umfeld der Kernenergie in der Schweiz

In der Schweiz läuft das Moratorium ab, das der Souverän in einer Volksabstimmung vor 10 Jahren verhängte. Alle, die meinten, das würde zu einer Abschwächung der Gegensätze führen, müssen bei intellektueller Ehrlichkeit zugeben, dass diese Konsequenz keine Fortschritte gemacht hat. Man geht kaum zu weit, wenn man sagt, dass unser politisches Milizsystem das Dossier Kernenergie auf die Seite gelegt hat während des Moratoriums und sich Problemen wie Aussenpolitik, Verfassungspolitik, Verkehrspolitik, Arbeitslosen- und Asylpolitik zugewendet hat. Aber:
Seit einem Jahr etwa ist die Politik von einer grossen Betriebsamkeit im Bereich der Energiepolitik befallen. Ich erwähne - ohne Vollständigkeit erzielen zu wollen - entsprechende Vorkehren. Den meisten ist eigen, dass die nichterneuerbaren Energien belastet werden, um die Wasserkraft, die Sonnenenergie und andere alternative Energien massiv zu subventionieren. Ich erwähne als Ausnahme das CO2-Gesetz, dem wir zustimmen. In die Legiferierung "Energiegesetz" wurde eine Energieabgabe des Nationalrates, ohne jede Verfassungsgrundlage, eingebracht. Der Ständerat hat den Vorstoss zum Anlass genommen, in einer Kommission eine in der Verfassung zu verankernde "Grundnorm" zu schaffen, die finanziell weniger belastend wäre als der nationalrätliche Schnellschuss. Als Gegenvorschläge zu den beiden Volksinitiativen Energie-Umwelt- und Solarinitiative hätte die Grundnorm zu gelten und eine Förderabgabe. Bis heute sind die beiden Räte sich vor allem nicht einig geworden, wieviel man vom Bürger erneut verlangen will. Einig ist man, dass die Kernenergie überall dort dabei ist, wo es um Zahlungen geht, während die Wasserkraft subventioniert werden soll, zusammen mit andern erneuerbaren Energien.
Damit bin ich bei weitem nicht am Ende der Vorstösse zur Energiepolitik angelangt. Ich erwähne eine bereits eingereichte "Initiative Energie statt Arbeit besteuern", ferner die am vergangenen Sonntag - es muss schliesslich auch am Sonntag noch etwas substanziell Politisches geschehen - als zu Stande gekommen gemeldeten Initiativen "Moratorium Plus" und "Strom ohne Atom", die gezielt auf die Eliminierung der Kernkraftwerke zusteuern, zum Teil in wenigen Jahren. Im Hinblick auf die Zusammensetzung des eidgenössischen Parlaments sollte man diese von Rot und Grün gemeinsam getragene Politik sich vor Augen halten, wenn man sich für die Stimmabgabe entscheidet.
Wenn man das alles hört und sich im Detail vorstellt, so ist der Titel richtig, den Michael Kohn über einen kürzlichen Vortrag setzte: "Vom Wirrwarr in der Schweizer Energiepolitik". Bedauerlich an all diesen Vorgängen ist die politische Frontstellung der Gebirgskantone gegen das Flachland. Die Wasserkraft, so meine ich, kann ohne das Kapital der Kernkraft nicht überleben. Das ist das eine, und das andere ist die Eigentumsgarantie der Verfassung und das Institut der materiellen Enteignung, die Grenzen setzen. Die Kernenergie aber muss wissen, dass sie auf breiter Front wie nie vorher angegriffen ist und Geschlossenheit alleine mit einem erheblichen Einsatz an Kraft zusammen mit andern zum Erfolg führen kann.
Das Umfeld in der Schweiz ist aber mit diesen politischen Vorstössen nicht in vollem Umfang beschrieben. Die Entwicklung in Europa und in der weiten Welt setzt uns der Marktöffnung im Stromsektor aus. Hier geht es um das einzuschlagende Tempo, die Struktur der Netzgesellschaft, die nicht amortisierbaren Investitionen. Die nationalrätliche Kommission hat mit einem knappen Mehr aus Vertretern der Gebirgskantonen, der Grünen und der Sozialdemokraten eine Schnellbremsung eingeleitet. Das nützt wenig, da im Inland und vom Ausland her die Grossen die Marktöffnung auch ohne Gesetz betreiben.
Wie geht es mit dem Kernenergiegesetz weiter, das allerdings durchaus noch Zeit hat, aber vor den Wahlen und ermuntert durch die Koalition in Deutschland wahrscheinlich dann noch an Tempo und Aktualität gewinnt? "Tritt-in" wird auch in der Schweiz Schule machen, davon bin ich überzeugt.

Unser Standpunkt zum 40. Geburtstag

Ich komme zum Schluss und möchte unsern Standpunkt am 40. Geburtstag zu definieren versuchen.
Aus unserem Auftrag, der im Jahresbericht aus den Statuten abgedruckt ist, und den Entwicklungen seither ergibt sich unser Standpunkt am 40. Geburtstag. Ich habe versucht, relevante Gesichtspunkte zur Kernenergie in unserem Land zusammenzufassen:

  1. Wir wollen die Option Kernenergie in der Schweiz offen halten und lehnen entgegenstehende Initiativen und Bestrebungen ab. Wir bekennen uns auf dem Sektor "Elektrizität" zum Mix aus Wasserkraft und Kernkraft.
  2. Wir lehnen eine Beschränkung der Lebensdauer von KKW durch gesetzliche Erlasse ab. Eine Stilllegung kann aus Sicherheitsgründen erforderlich werden oder allenfalls aus wirtschaftlichen Erwägungen. Eine Stilllegung aus ideologischen und politischen Gründen erfüllt den Tatbestand der materiellen Enteignung und ruft nach Entschädigung.
  3. Wir fördern die Entsorgung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen im eigenen Land. Wir betrachten es angesichts der geringen Mengen für sinnvoll, hochaktive Abfälle in einem multinationalen Endlager im Ausland als Variante zu entsorgen.
  4. Wir sind der Meinung, dass die Wiederaufarbeitung von Brennelementen eine ökologische sinnvolle Recyclingmassnahme darstellt und deshalb als Option offen bleiben muss. Sie zu verbieten, entspräche einer Wegwerfmentalität und verträgt sich schlecht mit dem Nachhaltigkeitsgrundsatz der neuen überarbeiteten Bundesverfassung.
  5. Wir bejahen die Weiterführung von Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie in unserem Land.
  6. Wir sind der Meinung, dass die CO2-Politik der Schweiz - zu der sie sich völkerrechtlich verpflichtet hat - den Einsatz der Kernenergie braucht.
  7. Wir bejahen die Strommarktöffnung in der Schweiz, wobei schweizerische Gegebenheiten und ökonomische ausländische Erfahrungen angemessen berücksichtigt werden. Die vorgeschlagene Frist von nur 6 Jahren, ohne "Marschhalt" wie in der EU, birgt die Gefahr massiver Arbeitsplatzverluste und Übernahmen durch ausländische Grosskonzerne in sich.
  8. Wir lehnen die zusätzliche Besteuerung der Energie in der Schweiz ab, die in diesem Zeitpunkt eingeführt wird, da der Markt billige Energien produzieren soll und muss. Wir lehnen insbesondere neue Subventionen für Projekte ab, die auf lange Zeit unwirtschaftlich bleiben werden.
  9. Wir sind der Auffassung, dass die Kernenergie in hohem Ausmass je länger je mehr mit den Zielsetzungen des Energieartikels in der Bundesverfassung übereinstimmt.
  10. Wir werden alle unsere Kraft einsetzen, um die Akzeptanz der Kernenergie zu verbessern. Dazu - und zur Realisierung aller Ziele - braucht es eine starke, der Situation angepasste SVA.

Quelle

Dr. Hans Jörg Huber

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