Präsidialansprache von Dr. Hans Jörg Huber, a. Ständerat, Zurzach

21. Aug. 2000

anlässlich der 41. ordentlichen Generalversammlung der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie (SVA) vom 22. August 2000 in Bern


I. Begrüssung

Es ist für mich eine überaus angenehme Aufgabe, Sie alle im Namen der SVA herzlich zu begrüssen

  • Mein Gruss richtet sich an unsere Gäste, die unserer Organisation und ihrem Ziel, die friedliche Nutzung der Kernenergie in der Schweiz, die Reverenz erweisen. Unter unseren Gästen sind Vertreter befreundeter Organisationen, Parlamentarierinnen und Parlamentarier, Behördemitglieder von Kantonen und des Bundes, Vertreter der Medien.
  • Mein Gruss richtet sich an unserer Mitglieder. Wir haben Vertreter der Kernkraftwerkbetreiber unter uns; ihnen gilt mein spezieller Gruss, da wir im Laufe des Geschäftsjahres viel mit ihnen zu tun haben. Ich richte meinen Gruss an die Einzelmitglieder, mit denen wir den Kontakt während des Jahres durch unsere Publikationen pflegen. Ich danke ihnen, dass sie ihre Sympathie zur Kernenergie auch heute zum Ausdruck bringen.
  • Ein weiterer herzlicher Gruss geht an die Mitglieder unserer Vereinsorgane Delegation und Vorstand. Dazu gehören auch die Kommissionen für Information und Ausbildung, von deren Arbeit wir zehren.
  • Schliesslich begrüsse ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Geschäftsstelle, ohne deren Einsatz unser Wollen nicht zum Tragen käme. Unser Geschäftsbericht und die häufigen Kontakte des Präsidenten verschaffen mir das Wissen, dass in Bern bei der SVA intensiv und gut gearbeitet wird.
  • Meine Damen und Herren, wir haben dieses Jahr wieder einmal die ausserordentliche Freude, einen Bundesrat, Herrn Bundesrat Couchepin, bei uns begrüssen zu dürfen. Er trifft auf den Zeitpunkt seines Referates ein und ich werde ihn dann begrüssen, insbesondere auch seine Affinität zur Elektrizitätswirtschaft aufzeigen.


II. Zur Lage

Damit kann ich mich von den Personen hin zu Gegenständen wenden. Ich befasse mich zuerst kurz und stichwortartig mit den anstehenden Problemen der Kernenergie und unserer Vereinigung. Dabei darf ich Sie hinweisen auf unseren Jahresbericht, der vom Vorstand intensiv bearbeitet wurde mit dem Antrag auf Genehmigung.

  1. Wir dürfen wiederum feststellen, dass unsere Kernkraftwerke tadellos betrieben werden. Das sind keine Auslaufmodelle, sondern nachgerüstete, moderne Kraftwerke, die von den staatlichen Prüfungsorganen ausgezeichnete Zeugnisse erhalten. Wir freuen uns über die Realisierung des Zwilag, das die Kette der notwendigen Anlagen weiterführt. Als Aargauer bin ich stolz darauf, dass die Anlage von der Bevölkerung einhellig willkommen geheissen wurde. In Sachen "Wellenberg" sind die Dinge wieder in Bewegung gekommen. Wir anerkennen die Einsicht und die Aktivität von Bundesrat Leuenberger. Wir haben beachtliche Schritte getätigt in der Förderung der Akzeptanz. Ich denke an die neue Broschüre "Kernenergie", hinter der ein kräftiger zusätzlicher Einsatz unserer Geschäftsstelle steht. Sie hat mitgewirkt bei der Präsentation der Studie "Pfaffenberger/Borner" betreffend die volkswirtschaftlichen Folgen eines Kernenergieausstieges. Sie kennen das Ergebnis: Ein Ausstieg kostet Milliarden und Mehremissionen von CO2. Die Schweizerische Gesellschaft der Kernfachleute hat eine Studie veranlasst und mit uns präsentiert, in der von führenden Wissenschaftern am PSI und an beiden ETH Antworten zu 10 Schlüsselfragen zum Thema "Nachhaltige Entwicklung und Energie" gegeben wurden. Eine zentrale Aussage ist ein klares JA zum schweizerischen Energiemix von Wasserkraft und Kernenergie. Ebenfalls ein Grosseinsatz wurde in unserer Gemeinschaft geleistet mit der Erarbeitung der Vernehmlassung zum Departementsentwurf des neuen Kernenergiegesetzes. Das Ergebnis ist ebenso gut wie die getätigte Arbeit: Ich danke dem Präsidenten, Herrn Hans Achermann, EGL, und seinem Stabschef, unserem Generalsekretär Dr. Peter Hählen. Der 24. September des laufenden Jahres wird im nächsten Jahresbericht im Detail anzusprechen sein. In unseren Kreisen heisst die Parole klar "3 x Nein". Wir sagen Nein zu neuen Steuern, wir sagen Nein zur durchgehenden Benachteiligung der nicht erneuerbaren Energie, besonders der sauberen Kernenergie, wir sagen Nein zu einem gewaltigen Subventions- und Umverteilungsapparat, der zu ungerechten und schädlichen Ergebnissen führt.
    Am gleichen Tag kämpfen unsere Freunde im Kanton Bern gegen die Volksinitiative von "Bern ohne Atom" die von "Roten und Grünen, von WWF und Greenpeace" eingereicht wurde. Der Grosse Rat hat die Initiative mit 115 : 58 Stimmen abgelehnt. Das KKW Mühleberg soll spätestens am 31.12.2002 stillgelegt werden. Wir bewundern den Einsatz unserer Freunde aus dem Kanton Bern und helfen, wenn man uns braucht. Zu erwähnen sind die positiven Standesinitiativen der Standortkantone Solothurn und Aargau.
  2. Lassen Sie mich hier abbrechen mit Ereignissen um die Kernenergie. Ich möchte ein kurzes Wort sagen zur SVA und ihren Strukturen. Die Marktöffnung mit ihren wirtschaftlichen Problemen, den politischen Umwegen und taktischen Spielen bringt es mit sich, dass unsere Betreiber mehr als früher Konkurrenten werden. Ich freue mich festzustellen, dass das die gemeinsame Arbeit für die Kernenergie in keiner Weise beeinträchtigt. Im Gegenteil: wir überprüfen unsere Strukturen, die eine Intensivierung der Arbeit mit sich bringen soll und wird.
    Lassen Sie mich diesen Teil meiner Darlegungen schliessen mit der Feststellung, dass der Wetterumschlag vom Moratorium zur gegenwärtigen Entwicklung kräftig und nachhaltig ist, uns aber in guter Verfassung auf dem Schlachtfeld angetroffen hat.


III. Wir sind nicht alleine

Ich habe gesagt, wir sind auf dem Schlachtfeld angekommen. Ich meine damit die entscheidende Auseinandersetzung um das Kernenergiegesetz und die beiden Initiativen. Da ist die Volksinitiative "Strom ohne Atom", die die Stilllegung von Beznau 1 und 2 und Mühleberg zwei Jahre nach Annahme der Initiative, ferner die Stilllegung von Gösgen und Leibstadt nach einer Betriebsdauer von 30 Jahren und schliesslich keine neuen Kernkraftwerke in der Schweiz will. Die 2. Volksinitiative "Moratorium plus" will in erster Linie in den Betrieb der bestehenden Kernkraftwerke eingreifen: Für die Stromerzeugung in den bestehenden Anlagen über 40 Jahre hinaus wäre ein referendumspflichtiger Bundesbeschluss notwendig. Ausserdem will "Moratorium plus" die Verlängerung des ablaufenden Moratoriums um weitere zehn Jahre. Das KEG soll nach Meinung des Bundesrates den Initiativen quasi als Gegenvorschlag gegenüber gestellt werden.
Die Initiativen in ihrer Radikalität verlangen von uns unseren ganzen Einsatz. Aber nicht nur den unseren: "Wir sind nicht alleine". Diesen Gedanken haben wir uns weit intensiver ins Bewusstsein einzuprägen. Er gibt uns Selbstsicherheit und zusätzliche Kraft, die wir brauchen in der politischen Auseinandersetzung.
"Wir sind nicht alleine" - wo sind unsere Mitstreiter? Ich kann sie nicht alle aufzählen, ich möchte zuerst im Ausland Umschau halten, dann bei uns in der Schweiz.

1. Der Blick ins Ausland
Wir haben in den letzten Jahren - während unseres Moratoriums - eine weltweite Entwicklung der CO2-sauberen Kernenergie erlebt und erleben sie weiter. Weltweit erreicht der Atomstromanteil 17 Prozent, in Europa sogar mehr als 30 Prozent. Ohne Kernenergie müsste dieser Strom mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden, was zu gewaltigen jährlichen Mehremissionen von Kohlendioxid führen würde. Gegenwärtig sind 441 KKW in 31 Ländern in Betrieb. In 15 Ländern werden zur Zeit 38 KKW gebaut. Weltweit wird wissenschaftlich geforscht, um die hochentwickelten KKW noch weiter zu bringen. In den USA haben die Behörden für fünf KKW-Blöcke die Betriebsbewilligung auf 60 Jahre verlängert. Andererseits sind Entsorgungen und Stilllegungen durchgeführt worden - auch ein praktischer Beweis unserer Technik.
Diesem überaus positiven Trend, der auch von der zuständigen Kommissarin der EU unterstützt wird, stehen die Vorgänge in Deutschland gegenüber.
Wir alle wissen, dass deutsche Landesregierungen den sogenannten "ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug" seit Jahren praktizieren. Die rot-grüne Bundesregierung wäre durchaus in der Lage gewesen, den Bestand und den Betrieb der deutschen KKW noch nachhaltiger zu beeinträchtigen. Entscheidend für die Betreiber ist es gewesen, auf viele Jahre hinaus den Weiterbetrieb der KKW sicherzustellen. Dabei hat die Regierung sich vertraglich verpflichtet, den Betrieb und die Entsorgung ungestört zu gewährleisten - wie das gehen soll bei den Aktionen der Gegner ist eine andere Frage. Bemerkenswert scheinen mir zwei Feststellungen des Sprechers der deutschen Kernenerige-Wirtschaft:

  1. Kindern und Enkelkindern müsse die Kernenergieoption erhalten bleiben. Daher sei das Projekt eines modernsten Reaktortypus weiter zu verfolgen
  2. und zum anderen: Majewski warnte auch davor, im Ausland das Ergebnis als einen unumkehrbaren Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland zu interpretieren. Das ist wohl auch ein Grund, warum der Vorgang im rot-grünen Deutschland so rasch aus den Schlagzeilen verschwunden ist.


2. Der Blick in unserem eigenen Land
Schon drei Mal hat der Souverän die Eliminierung unserer KKW an der Urne abgelehnt. Ich meine, dass die Mehrzahl der Bürger hinter uns steht. Das gilt auch für die Mehrheit der politischen Parteien, der Kantonsregierungen, wenn man ihre Vernehmlassung zum KEG liest. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit unserer Parlamentarier im Bund und den Standortkantonen unsere Sache mit vertritt. Dafür sind in den letzten Monaten klare Beweise geliefert worden.
Wir sind nicht alleine: wir werden von Aussenstehenden mit Wissen, Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein geprüft: Ich denke an die Kontrollen durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) und an die Empfehlungen der Internationalen Energieagentur (IEA) der OECD. Die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) hat "bei den über 400 Inspektionen" im Jahre 1999 "einen guten Allgemeinzustand der Anlagen festgestellt, eine gut organisierte Betriebsführung und ein vorschriftsgemässes Verhalten in den sicherheitsbezogenen Belangen."
Das zeigt auch, dass unsere ausgezeichnet geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert dafür sorgen, dass wir nicht alleine eine gute Sache vertreten.

IV. Schluss

Ich weiss, dass dieses Referat viele Dinge, wesentliche Dinge ungesagt auf der Seite lassen muss. Mir geht es darum, den Rahmen aufzuzeigen und dieses Jahr die Gewissheit zu verbreiten: "Wir sind nicht allein."
Weil unsere Kernkraftwerke sicher, sauber, wirtschaftlich, notwendig sind, hat die Kernenergie eine Zukunft - in der Schweiz und für die Schweiz, und sie braucht nicht mit masslosen neuen Steuern bestraft zu werden. Ich danke Ihnen.

Quelle

Dr. Hans Jörg Huber

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