PSI-Forschende blicken erstmals in Welt der Atome

Forschern am Paul Scherrer Institut (PSI) ist es erstmals gelungen, mit der Methode des Transient Grating Spectroscopy ins Innere von Werkstoffen zu blicken. Mithilfe von speziellen Röntgenstrahlen und einem Laserblitz können sie atomare Vorgänge in Bildern und Videos festhalten.

27. Apr. 2021
Cristian Svetina an der Experimentierstation des Freie-Elektronen-Röntgenlasers SwissFEL.
Cristian Svetina an der Experimentierstation des Freie-Elektronen-Röntgenlasers SwissFEL.
Quelle: PSI / Mahir Dzambegovic

Die Strukturen auf Mikrochips werden immer winziger. Mittlerweilen werden ganze Enzyklopädien auf fingernagelgrosse magnetische Scheiben geschrieben. «Wenn man aber die technische Miniaturisierung weitertreiben will, muss man solche Phänomene auf atomarer Ebene verstehen», schreibt das PSI in einer Medienmitteilung.

Das Besondere der Versuchsanordnung sei die Kombination und Erweiterung bekannter Methoden aus der nichtlinearen Laserphysik, aber mit dem Röntgenlicht aus dem neuen Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL. In dieser Kombination ist das sowohl neu als auch überraschend. Im Kern handelt es sich um ein Verfahren, das sich im Englischen Transient Grating Spectroscopy nennt, was übersetzt so viel wie Übergangsgitter-Spektroskopie bedeutet. Unter Spektroskopie fassen die Physiker einen bewährten Strauss an Methoden zusammen, um Informationen über ein Material zu gewinnen, etwa aus welchen chemischen Elementen und Verbindungen es besteht, welche magnetischen Eigenschaften es besitzt oder wie sich die Atome darin bewegen. Bei der speziellen Variante der Transient Grating Spectroscopy wird die Probe mit zwei Laserstrahlen beschossen, die ein Interferenzmuster erzeugen. Ein dritter Laserstrahl wird an diesem Muster gebeugt, wodurch ein vierter Strahl entsteht, der die Informationen über die Eigenschaften der Probe enthält.

Unter die Oberfläche schauen
Laser können in eine Probe nur mit einer begrenzten Auflösung von Hunderten Nanometern hineinschauen. Deshalb benötigt man Röntgenstrahlen. Den Forschern am PSI ist es nun erstmals gelungen, die Transient Grating Spectroscopy auch für einen Röntgenlaser zugänglich zu machen und das gleich mit sehr harten Röntgenstrahlen mit einer Energie von 7,1 keV, was einer Wellenlänge von 0,17 Nanometern, also etwa dem Durchmesser mittelgrosser Atome entspricht. Damit ist es erstmals möglich, in Werkstoffe hineinzuschauen, mit einer Auflösung bis hinunter zu einzelnen Atomen, mit ultrakurzen Belichtungszeiten von Bruchteilen von Femtosekunden (eine millionstel Milliardstelsekunde). Das erlaubt es sogar, Videos von atomaren Vorgängen aufzunehmen. Ausserdem ist die Methode elementselektiv, das heisst, man kann gezielt bestimmte chemische Elemente in einem Gemisch aus Stoffen vermessen. Die Methode ergänzt andere Techniken wie die inelastische Streuung mit Röntgenstrahlung und Neutronen um eine bessere Auflösung bei Zeit und Energie.

Konkret sieht der Versuchsaufbau so aus: Der SwissFEL schickt einen Strahl mit einem Durchmesser von 0,2 mm aus ultrakurzen Röntgenpulsen auf ein Gitter aus Diamant, das unter dem Mikroskop wie ein feiner Kamm aussieht. Diamant deshalb, weil er auch von energiereichen Röntgenstrahlen nicht zerstört wird. Das Gitter wurde eigens von Christian David vom Labor für Mikro- und Nanotechnologie am PSI hergestellt. Die Zinken des Kamms haben einen Abstand von zwei µm. Sie zerlegen den Röntgenstrahl in feine Teilstrahlen, die sich hinter dem Gitter überlagern und so das Beugungsmuster des Transient Grating erzeugen. Hinter dem Gitter kann man Eins-zu-eins-Abbildungen des Gitters beobachten, die sich in regelmässigen Abständen – den sogenannten Talbot-Ebenen – wiederholen. Platziert man eine Probe in einer dieser Ebenen, werden einige Atome darin angeregt, gerade so, als würde sie an der Stelle des Gitters sitzen. Dabei werden nur die Atome angeregt, die die Röntgenstrahlen in dieser periodischen Modulation «sehen», während die Nachbaratome, die die Bestrahlung nicht erfahren, im Grundzustand bleiben. So können die Forscher charakteristische Bereiche selektiv anregen.

Kamera mit Blitzlicht
Die Anregung der Atome allein liefert aber noch keine Informationen. Dazu braucht es eine Art Kamera mit einem Blitz, der die Probe kurz belichtet. Das übernimmt bei der Transient Grating Spectroscopy ein Laser, der schräg auf die Probe zielt und minimal zeitverzögert zu dem Röntgenstrahl aus dem SwissFEL an der Experimentierstation Bernina Bilder schiesst. Die Information kommt hinten aus der Probe heraus und trifft auf einen Detektor, der das Bild aufnimmt. In den ersten Experimenten hat sich ein Vorteil der Methode gezeigt: Sie erzeugt kein unerwünschtes Hintergrundsignal. «Wenn die Atome angeregt sind, sieht man ein Signal, sind sie nicht angeregt, sieht man nichts», erläutert Cristian Svetina, der am PSI derzeit die neue Experimentierstation Furka an der Strahllinie Athos am SwissFEL aufbaut. Das ist äusserst wertvoll bei Messungen an Proben, die nur schwache Signale aussenden.

Nächstes Ziel: Alles mit Röntgenstrahlen

Der letzte Schritt steht allerdings noch aus. Bisher handelt es sich nur bei dem Strahl, der die Probe anregt, um einen Röntgenstrahl. Der Blitz der Kamera kommt nach wie vor aus einem Laser, ist also sichtbares Licht. Der Gipfel wäre erreicht, wenn auch das ein Röntgenstrahl wäre. Svetina: «Diesen finalen Schritt wollen wir im Lauf des Jahres machen.» Dabei bekommen sie weitere Unterstützung aus Deutschland, Japan und den USA. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forschenden im Fachmagazin Nature Photonics.

Quelle

M.A. nach PSI, Medienmitteilung, 23. April 2021

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