PSI geht Tumoren an den Kragen

Es gibt verschiede Methoden, um einen bösartigen Tumor schulmedizinisch zu behandeln. Entweder wird der Tumor chirurgisch entfernt, mit Medikamenten behandelt oder die Tumorzellen werden mit ionisierender Strahlung abgetötet. Rund die Hälfte aller Krebskranken in der Schweiz unterzieht sich einer solchen Strahlentherapie mit ionisierender Strahlung. Am PSI arbeiten Forscher an der Weiterentwicklung einer für die Schweiz einzigartigen Bestrahlungsanlage mit Protonen, mit der die Behandlung auch tief liegender und bewegter Tumoren möglich werden soll.

11. Sep. 2008
Verteilung der Strahlendosis eines Protonen-Bleistiftstrahls im Körper und zum Vergleich unten die Dosiswerte
Verteilung der Strahlendosis eines Protonen-Bleistiftstrahls im Körper und zum Vergleich unten die Dosiswerte

Wie wirkt eigentlich ionisierende Strahlung auf den Körper? Durchquert ein ionisierendes Teilchen (z.B. ein Photon oder Proton) eine Zelle oder stoppt in ihr, gibt es Energie ab. Diese im Körper absorbierte Energie, auch Strahlendosis genannt, beschädigt den Zellkern. Unter Umständen kann jedoch eine Zelle diese Schäden wieder reparieren. Die Herausforderung bei der Strahlentherapie besteht folglich darin, die Dosis so zu bemessen, dass Tumorzellen ausnahmslos absterben, jedoch gesunde, umliegende Zellen nur geringen Schaden erleiden und sich wieder erholen können. Zwei Behandlungsmethoden werden bei der Strahlentherapie eingesetzt: Röntgen- bzw. Gammastrahlen (Photonentherapie) und Teilchenstrahlen (z.B. Protonentherapie). Zwar ist die Photonentherapie eine bewährte Technik, die Behandlung mit Protonen bietet jedoch vielversprechende Verbesserungsmöglichkeiten.

Vorteile der Protonen

Wichtig bei der Strahlentherapie ist die genaue Platzierung der Dosis, um gesundes Gewebe zu schonen. Protonen bieten den Vorteil, dass sie beim Durchqueren der oberflächennahen Körperzellen nur wenig Energie abgeben, jedoch beim Stoppen am Zielpunkt die maximale Strahlendosis freisetzen (Bragg-Spitze/Spot, siehe Grafik). Anders verhält es sich bei der Behandlung mit Photonen: Die Dosis bei Röntgen- oder Gammastrahlen ist direkt nach dem Eindringen in den Körper am höchsten und nimmt mit zunehmender Tiefe ab, so dass gesundes Gewebe bei der Behandlung tief liegender Tumore unnötig belastet wird. Die Präzision der Eindringtiefe bei der Bestrahlung mit Protonen bietet somit entscheidende Gewinne.

Strahlentherapie am PSI

Das PSI betreibt zurzeit zwei Therapieanlagen: OPTIS und Gantry. OPTIS ist in Europa eine Pionieranlage zur Behandlung von Augentumoren und mit Gantry verwirklichte das PSI die sogenannte Spot-Scanning-Technik, die tief liegenden Tumoren gezielt den Garaus macht. Die Protonen dazu liefert der Teilchenbeschleuiger COMET, ein Kompakt-Zyklotron. Vom Beschleuniger gelangen die Teilchen über einen Protonenkanal zu den Behandlungsräumen.

Spot-Scanning mit Gantry

Im Behandlungsraum der Gantry liegt der Patient auf einem Patiententisch, während die 100 t schwere Anlage, sich um ihre Zentralachse drehend, die Tumoren aus verschiedenen Richtungen bestrahlt. Die Protonen dringen in einem 5-7 mm breiten, sogenannten Bleistiftstrahl in den Körper ein, werden abgebremst und geben beim Stoppen ihre maximale Dosis ab. Die Eindringtiefe der Protonen hängt unter anderem von ihrer Energie ab. Diese Energie wird einerseits direkt mit dem Teilchenbeschleuniger COMET quellenseitig moduliert, andererseits schieben sich Kunststoffplatten im Bestrahlungskopf in den Protonenstrahl und ermöglichen so eine dynamische Feinabstimmung. Um mit einem Bleistiftstrahl auch grössere Tumoren bestrahlen zu können, wendet das PSI die sogenannte Spot-Scanning-Technik an, eine Eigenentwicklung und Weltneuheit. Die Hochdosis-Spots tasten dabei den Tumor dreidimensional ab (Scanning). Mehr als 9000 Spots bestrahlen das Volumen eines Liters in weniger als vier Minuten.

Sicherheit der Anlage

Im Bestrahlungskopf wird jeder einzelne der Tausenden Spots auf seine Dosis und Position überwacht. Liegen die Werte ausserhalb des Toleranzbereichs, wird der Protonenstrahl in Bruchteilen einer Millisekunde abgestellt. Computersimulationen und Dosiskontrollmessungen an dosimetrischen Phantomen stellen sicher, dass die Dosisverteilung im Tumor mit der Planung übereinstimmt. Jeder Bestrahlungsplan wird vor der Behandlung in einem Probelauf individuell überprüft.

Gantry 2

Mit der heutigen Gantry-Anlage können nicht bewegte Tumoren mit gutem Resultat behandelt werden, zum Beispiel im Schädel, bei der Wirbelsäule oder im Becken. Liegt ein Tumor hingegen in der Nähe der Lunge, können die Spots wegen der Lungenbewegung nicht genau platziert werden. Mit der neuen Gantry der zweiten Generation - Gantry 2 - plant das PSI, diese Hürde zu nehmen. Simultanes Röntgen während der Protonenstrahlbehandlung und eine extrem schnelle Strahlabtastung sollen in Zukunft die Behandlung moderat bewegter Tumoren (z.B. Brustkrebs) und auch Tumoren mit grosser Bewegung (z.B. Lunge) ermöglichen.

Die Strahlführung ist fertig montiert, die experimentellen Arbeiten mit Gantry 2 können beginnen. Das Team der Strahlentherapie rechnet damit, dass gegen Ende 2009 erste einfache Bestrahlungen möglich sein werden; für die Behandlung bewegter Tumoren ist aber noch weitere Entwicklungszeit nötig.

Eros Pedroni, Projektleiter der Gantry 2, stellt die Anlage an der Medienkonferenz im Mai 2008 vor.
Eros Pedroni, Projektleiter der Gantry 2, stellt die Anlage an der Medienkonferenz im Mai 2008 vor.
Quelle: PSI

Quelle

M.B.

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