Revidierte Verträge zur Stärkung der Rechte von Menschen, die von nuklearen Unfällen betroffen sind

Die Änderungsprotokolle zu zwei internationalen Übereinkommen, die das Recht auf Entschädigung für Betroffene von Kernenergieunfällen stärken, sind formell ratifiziert worden und treten am 1. Januar 2022 in Kraft.

29. Dez. 2021
Ratifizierungsfeier NEA
Ratifizierungszeremonie vom 17. Dezember 2021. (v. r. n. l.) William D. Magwood, Generaldirektor der NEA; Mathias Cormann, Generalsekretär der OECD; Piet Heirbaut, Generaldirektor für Rechtsangelegenheiten im belgischen Aussenministerium; Roland Dussart-Desart, Vorsitzender des NEA-Ausschusses für Nuklearrecht; Ximena Vásquez-Maignan, Leiterin des Büros des Rechtsberaters der NEA.
Quelle: NEA

Die Protokolle zur Änderung des Pariser Übereinkommens über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie und des Brüsseler Zusatzübereinkommens wurden am 17. Dezember 2021 am Sitz der OECD in Paris ratifiziert. Die Protokolle sind von allen Vertragsparteien ratifiziert worden, mit Ausnahme der Türkei, die der Ratifizierung zugestimmt, ihre Urkunde aber noch nicht hinterlegt hat.

Die Betreiber von Kernkraftwerken haften für alle von ihnen verursachten Schäden, unabhängig von ihrem Verschulden. Die Haftung ist sowohl durch internationale Übereinkommen als auch durch nationale Rechtsvorschriften zeitlich und betragsmässig begrenzt. Die Betreiber schliessen in der Regel eine Haftpflichtversicherung ab, um ihre begrenzte Haftung zu decken, über die hinaus der Staat als Versicherer der letzten Instanz die Verantwortung übernimmt.

Mehr Entschädigung
Die überarbeiteten Übereinkommen bedeuten, dass diejenigen, die durch einen Unfall im Kernenergiesektor geschädigt werden, mehr Entschädigung verlangen können, erklärte die Nuclear Energy Agency (NEA) der OECD. Die Haftung der Betreiber im Rahmen des Pariser Übereinkommens beläuft sich auf mindestens EUR 700 Mio., ergänzt durch bis zu EUR 1,5 Mrd. aus öffentlichen Mitteln, die im Rahmen des Brüsseler Zusatzübereinkommens bereitgestellt werden. Dadurch verbessert sich im Falle von schweren Nuklearunfällen der Opferschutz und Entschädigungsverfahren werden international harmonisiert und vereinfacht.

Das revidierte Pariser Übereinkommen sieht nun auch einen Mindestbetrag von EUR 70 Mio. und EUR 80 Mio. bei Unfällen in Anlagen mit geringem Risiko bzw. bei der Beförderung von Kernmaterial vor.

Einige Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens haben ihre nationalen Gesetze bereits geändert, um die Haftungssummen für Nuklearschäden auf das geforderte Minimum oder darüber hinaus zu erhöhen. So beispielsweise die Schweiz. Der Bundesrat hatte bereits an seiner Sitzung vom 25. August 2021 das totalrevidierte Kernenergiehaftpflichtgesetz und die totalrevidierte Kernenergiehaftpflichtverordnung per 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Damit setzt die Schweiz die revidierten Kernenergiehaftpflichtübereinkommen von Paris und Brüssel in ihrer Gesetzgebung um.

Die geänderten Protokolle bedeuten, dass Ansprüche über einen längeren Zeitraum – 30 Jahre nach einem nuklearen Unfall statt 10 Jahre – für Personenschäden oder den Verlust von Menschenleben sowie für ein breiteres Spektrum erlittener Schäden geltend gemacht werden können, z. B. für wirtschaftliche Verluste, die Kosten für Präventivmassnahmen und für Massnahmen zur Wiederherstellung der beeinträchtigten Umwelt. Ausserdem wird der geografische Geltungsbereich des Übereinkommens erweitert, sodass betroffene Personen in bestimmten Ländern, die nicht Vertragsparteien des Übereinkommens sind, Ansprüche geltend machen können, wenn sie durch ionisierende Strahlung, die bei einem Unfall in einer kerntechnischen Anlage oder bei einem Transport von Kernmaterial freigesetzt wird, einen Schaden erleiden, für den ein Kernkraftwerksbetreiber mit Sitz in einem Staat des Pariser Übereinkommens verantwortlich ist.

16 Vertragsparteien
Insgesamt werden 16 Länder dem revidierten Pariser Übereinkommen beitreten: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Türkei und das Vereinigte Königreich. Auf diese Länder entfällt fast ein Viertel der weltweit betriebenen Reaktoren. Mit Ausnahme von Griechenland, Portugal und der Türkei sind diese Länder ebenfalls Vertragsparteien des geänderten Brüsseler Zusatzübereinkommens.

Zu den weiteren internationalen Verträgen über die Haftung für nukleare Schäden gehören das Wiener Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden, das Protokoll zur Änderung des Wiener Übereinkommens über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden und das Übereinkommen über die ergänzende Entschädigung für nukleare Schäden, die alle unter der Schirmherrschaft der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) stehen.

Quelle

M.A. nach NEA, Medienmitteilung, 17. Dezember 2021, und WNN, 17. Dezember 2021

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