Schiefergas – Hoffnungsschimmer und Politikum zugleich

Der Abbau von Schiefergas soll bald weltweit boomen. Selbst in der Schweiz werden noch in diesem Jahr Probebohrungen durchgeführt. Die Reaktionen sind gemischt.

28. Feb. 2013

Die weltweite Energieerzeugung wird bis heute von Öl und Kohle dominiert. Neben Kernenergie macht jedoch auch Erdgas einen signifikanten Anteil am Energiemarkt aus. Neu entdeckte Reserven an Schiefergas sollen den Energiemarkt umkrempeln, so die Prognostiker.

Schiefergas (shale gas) gilt als unkonventionelles Erdgas, das in Tongesteinen gespeichert ist. Die gespeicherte Gasmenge ist zwar geringer und die Kosten für die anspruchsvolle Förderung sind höher als in konventionellen Erdgaslagerstätten. Doch das Vorkommen ist global betrachtet riesig. Verlässliche Schätzungen sind rar. Gewisse Berechnungen für einzelne Staaten zeigen jedoch, dass die Reserven für mehrere Hundert Jahren ausreichen sollen. So etwa in Polen. Doch auch in Deutschland und in der Schweiz sollen beträchtliche Schiefergas-Vorkommen vorhanden sein. Die weltgrössten Reserven befinden sich jedoch in China, wie Behörden in China und in den USA übereinstimmend berichten. Gemäss chinesischen Angaben betragen die Reserven 30 Milliarden Kubikmeter. Nach amerikanischen Berechnungen der amerikanischen Energy Information Administration dürften die förderbaren Reserven sogar 1,275 Billionen Kubikfuss, also umgerechnet 36,1 Milliarden Kubikmeter betragen. Der amerikanische Präsident Barack Obama hat sich bereits im Jahr 2009 bereit erklärt, die Fracking-Technologie mit China zu teilen.

USA als Pioniere

In den USA wird das hydraulische Aufbrechen von Gesteinsformationen bereits grossflächig eingesetzt. Die grössten Gas- und Ölquellen liegen in Texas und North Dakota. Der grösste Konsument fossiler Brennstoffe könnte in ein paar Jahren zum grössten Öl- und Gas-Produzenten der Welt aufsteigen. Konkret: Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass die USA noch vor dem Jahr 2020 Saudi-Arabien und Russland als grösster Erdöl- und Gas-Produzent ablösen werden. Die Vereinigten Staaten mutieren somit zum Energieexporteur. Dies ist eine erstaunliche Entwicklung. Erst ab dem Jahr 2000 haben die USA begonnen, Schiefergas zu gewinnen. Heute betragen bereits ein Fünftel des amerikanischen Erdgasverbrauchs aus eigenem Schiefergasvorkommen. Zudem wird Gas in der Stromproduktion immer wichtiger: Der Anteil von Gas an fossilen Energieträger für die Erzeugung von Elektrizität nähert sich der Marke von 50%. Bald wird Gas die Kohle als Haupt-Energieträger ablösen.

«Die schnelle Entwicklung von Schiefergasquellen wird den globalen Energiemarkt erheblich verändern,» meint der Analyst Michael Mbogoro von Frost & Sullivan Consulting. Der Markt für Chemikalien für das Hydraulic Fracturing werde bis 2020 voraussichtlich jährlich um 10% anwachsen, so Mbogoro. Mengenmässig seien Geliermittel die Haupt-Fracturing-Chemikalien, gefolgt von Reibungsverminderern und Korrosionshemmern. Aufgrund des Schiefergas-Booms wächst zudem der Markt für Chemikalien zur Abwasserbehandlung.

So funktioniert da Hydraulic Fracturing

Durch Richtbohren entstehen horizontale Bohrlöcher, mittels derer die Austrittsfläche für das im Schiefergestein eingelagerte Erdgas erhöht wird. Durch eine unter hohem Druck eingepresste Flüssigkeit entstehen rund um den Bohrstrang gasdurchlässige Strukturen. Dieses Verfahren wird Hydraulic Fracturing (kurz: Fracking) genannt. Beim Hydraulic Fracturing werden in die Bohrung grosse Mengen Wasser, Sand und Chemikalien eingepresst. Teilweise würden die dabei eingesetzten Chemikalien krebserregende Verbindungen wie Benzol enthalten, so die Kritiker des Verfahrens. Derzeit gibt es jedoch Forschungsprojekte für ein sogenanntes Clean Fracking, die Förderung von Schiefergas mit umweltverträglichen Zusätzen.

Auch für die Schweiz ein Thema

Der US-Gaskonzern eCorp will offenbar die Gasexploration in der Schweiz, Frankreich, England und Osteuropa vorantreiben. Noch in diesem Jahr sind zehn Probebohrungen im Mittelland geplant. Und die Aussichten seien glänzend: Geologen vermuten in 3000 Metern Tiefe Schiefergasvorkommen, die den Bedarf an fossilen Brennstoffen in der Schweiz für Jahrzehnte decken könnten, wie die Medien Anfang Jahr berichteten.

Doch, wie bei fast jedem Energieträger, gibt es auch im Zusammenhang mit der Schiefergasgewinnung viele Herausforderungen und Risiken. Für Michael Casanova, Projektleiter Gewässerschutz- und Energiepolitik bei Pro Natura ist klar: «Um Schiefergas zu gewinnen, müssen inakzeptable Risiken eingegangen werden. Tonnenweise müssten Chemikalien zur Förderung in den Untergrund gepumpt werden.» Eine langfristige Verschmutzung von Trink- und Grundwasser sei nicht auszuschliessen. Ebenso würden beim Fracking enorm viel Wasser verbraucht. Wasser, das aus unseren bereits stark genutzten Gewässern entnommen werde. «Investieren wir in Energieeffizienz und Energieträger der Zukunft», fordert Casnova gegenüber dem Pendlerzeitung «20 Minuten». Anders sieht es Peter Burri, Präsident Schweizerische Vereinigung von Energie-Geowissenschaftern. «Fracking wird seit Jahrzehnten problemlos angewendet. Es ist möglich, Gestein aufzubrechen, ohne gefährliche Chemikalien zu verwenden, neuerdings sogar ohne Wasser.» Ein Verbot der Technologie sei wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. «Was wir brauchen, sind klare Richtlinien, damit die Technologie kontrolliert angewendet werden kann.» Es sei umweltpolitisch sinnvoll, das Gas in der Schweiz zu fördern: Hier geschehe dies unter strengen Sicherheitsauflagen. «Und wir verschwenden nicht einen bedeutenden Teil der Energie, um das Gas von Sibirien in die Schweiz zu transportieren.»

Die Argumentation von Peter Burri deckt sich somit mit jenen Forderungen, eben gerade aus Gründen der Sicherheit, Kernenergie in der Schweiz und nicht im Ausland zu betreiben und zu kontrollieren.

Quelle

Hans Peter Arnold

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