Schweizer Kernenergie nach Ablauf des Moratoriums 1990–2000

26. Jan. 2000

Alfred Neukom, Inlandredaktion der Neuen Zürcher Zeitung, Referat am Kernfachleuteseminar vom 27. Januar 2000 im Kernkraftwerk Gösgen


Ein Ausblick auf kernenergiepolitische Geschäfte impliziert, dass die Atomenergie ein Gegenstand der politischen Auseinandersetzung ist oder gar sein muss. Es hat noch nicht allzu lange zurückliegende Zeiten gegeben, da die Unternehmen und Unternehmer der Strombranche einiges dafür gegeben hätten, dass die Kernenergie eine unpolitische Sache von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft allein gewesen wäre. Die Realität war jedoch stets eine andere. Der politische Widerstand gegen die Kernenergie hat zum bekannten energiepolitischen Patt geführt, und 1990 dann eben auch zum nun auslaufenden Moratorium. Ich stelle am Ende der zehn Moratoriumsjahre fest, dass sich in mancher Hinsicht einiges verschoben hat. Viele Gegner der Atomenergie freuen sich, weil sie erwarten, dass der neue wirtschaftliche Druck das Ende der ungeliebten Kernkraft werde und damit vollenden werde, was eine stete und konsequente Antiatom-Politik nicht geschafft hat.
Am Ende des Moratoriums müssten die Verfechter der Kernenergie sich deshalb fragen, ob sie nicht gerade auf dem politischen Feld aktiver werden sollten. Auch beim heutigen Stand der Diskussion ist keineswegs ausgemacht, dass lediglich wirtschaftliche Kriterien über die Art und Weise der künftigen Stromversorgung entscheiden werden. Neben der Marktöffnung sind auch andere grundsätzliche Überlegungen angebracht, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für die künftige schweizerische Stromversorgung zu formulieren. Weiterhin von Gewicht sind der ökologische und klimapolitische Gesichtspunkt - Stichwort CO2-freie Stromproduktion - und die Frage nach dem erwünschten Selbstversorgungsgrad der Schweiz.
Damit verbunden ist die Frage, ob Strom wirklich ein Gut ist wie jedes andere, wie importierte Bananen, Krawattenstoffe oder Kaugummis. Oder ob er vielleicht doch eine besondere strategische Bedeutung hat, die eine zusätzliche Betrachtung auch unter nationalstaatlichem Gesichtspunkt rechtfertigen könnte. Es fällt auf, dass diese Fragen kaum je gestellt werden - als ob man sich geradezu schämen würde, solche "überholten" Betrachtungen jenseits knallharter Wirtschaftlichkeitsüberlegungen überhaupt anzustellen. Damit möchte ich keineswegs gegen die Marktöffnung, gegen tiefere Strompreise oder grundsätzlich gegen neue Formen der Elektrizitätserzeugung antreten. Doch die Rolle der Energiepolitik muss sich auf das Umschreiben von Rahmenbedingungen beschränken, zu denen ökologische oder staatspolitische Aspekte gehören können - und dürfen. Zu den Rahmenbedingungen sollte gehören, dass darauf verzichtet wird, vorzuschreiben, wie künftig der schweizerische Strom produziert wird. Oder umgekehrt: Es ist nicht sinnvoll, bestimmte Formen der Energieerzeugung generell zu verbieten. Die verschiedenen Arten der Stromerzeugung sollen sich als Konkurrenten innerhalb der gesetzten Leitplanken positionieren und nicht zuletzt technisch weiter entwickeln können. Das bedeutet auch, dass sie in der politischen Diskussion ihre Vorteile ausspielen können. Die Atomenergie braucht dieses freie Feld zwischen den Leitplanken. Und dies führt mich zur ersten politischen Vorlage, die für die Zukunft der Kernkraft relevant ist: Das CO2-Gesetz.

Das CO2-Gesetz
Es ist die einzige der im folgenden genannten Vorlagen, die bereits unter Dach und Fach ist. Das Parlament hat das CO2-Gesetz am 8. Oktober 1999 verabschiedet, die Referendumsfrist läuft am 3. Februar unbenutzt ab und das Gesetz wird voraussichtlich am kommenden 1. Mai in Kraft treten.
Das Gesetz ist ein Produkt der Klimaproblematik, der menschengemachten weltweiten Erwärmung als Folge eines übersteigerten Treibhauseffektes. Die Schweiz hat 1993 die internationale Klimakonvention ratifiziert und 1997 das darauf beruhende Klimaprotokoll von Kyoto unterzeichnet. Dieses Protokoll verpflichtet eine Gruppe hoch entwickelter Staaten - darunter eben auch die Schweiz - ihre Emissionen der klimawirksamen Gase gegenüber dem Stand von 1990 um 8% zu verringern. Nun leistet CO2 den weitaus grössten Beitrag zur Verstärkung des Treibhauseffekts, in der Schweiz macht es 83% der klimawirksamen Emissionen aus. Das CO2-Gesetz legt für dieses Gas bis 2010 eine Reduktion von 10% gegenüber 1990 fest, ein Ziel, dass nur mit spürbaren Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen erreichbar ist. Das Gesetz formuliert unterschiedliche Teilziele für Brennstoffe (minus 15%) und für Treibstoffe (minus 8%), zweifellos eine politisch begründete Schonung des Verkehrs. Als besonderes Kennzeichen des CO2-Gesetzes gilt, dass die CO2-Reduktion auf ein ganzes Bündel von Massnahmen abstellen soll, so auf die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe, das Energiegesetz, das Nachfolgeprogramm von Energie 2000 sowie auf die geplanten Energieabgaben. Berücksichtigt werden auch zusätzliche freiwillige Massnahmen von Wirtschaft und Privaten. Und dann - als erzieherische Drohung - ist auch eine CO2-Abgabe vorgesehen, die frühestens 2004 von Bundesrat und Parlament subsidiär eingeführt werden soll, wenn die Reduktionsziele nicht erreicht werden.
Das CO2-Gesetz geht stillschweigend von der Annahme aus, dass die schweizerische Stromproduktion auch in Zukunft - wie bisher - CO2-frei erfolgen wird, dank der bekannten Aufteilung von ungefähr 60% Wasserkraft und 40% Kernenergie. Darauf kann sich die Atomenergie im politischen Prozess grundsätzlich berufen. Das Erreichen der ohnehin prekären CO2-Reduktionsziele wäre bei einem Ausstieg aus der Atomenergie noch weiter erschwert. Denn ein realistischer Ersatz des Atomstroms kann nur entweder durch Importe geschaffen werden oder durch einheimische Produktion aus fossilen Energieträgern, wobei das Erdgas im Vordergrund steht. Das ist zwar klimapolitisch unerwünscht, muss aber auch von den Gegnern einer solchen Entwicklung als Option im Auge behalten werden. Dies aus mehreren Gründen. Erdgas ist billig. Es ist in ausreichender Menge für noch lange Zeit vorhanden; die Einfuhrkapazitäten werden gegenwärtig in grossem Massstab ausgebaut. Strom aus Erdgas kann sowohl der Deckung des Grundbedarfs dienen wie auch leicht zur Deckung des Spitzenbedarfs. Erdgas ist für die Stromproduktion ausserordentlich flexibel. Es kann sowohl in grösseren und mittleren Kraftwerken zur Stromproduktion dienen, aber es wird auch schon bald eine dezentrale Gas-Kleintechnologie vorhanden sein, die selbst im einzelnen Haushalt sowohl für Strom wie auch für Wärme sorgen kann, mit einem hervorragenden Wirkungsgrad.
Wenn nicht alles täuscht, ist die schweizerische Politik drauf und dran, eine solche Entwicklung in Kauf zu nehmen. Als neuestes Indiz dafür sei die kürzlich vorgestellte Departementsstrategie des Uvek von Bundesrat Leuenberger genannt. In diesem Papier heisst es wörtlich: "Die dezentrale Wärmekraftkopplung (WKK) ist vermehrt einzusetzen. Darüber hinaus kommen bei Bedarf vorübergehend Gas-Kombikraftwerke in Frage. Die damit verbundenen CO2-Emissionen sind nach Möglichkeit zu kompensieren (Hauswärme, Verkehr)". Zusammenfassend lässt sich also sagen: Das CO2-Argument spricht zwar für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, aber die künftige Konkurrenz des Gasstroms, vor allem wenn sie mit den Möglichkeiten einer Kleintechnologie argumentieren kann, hat alle Chancen im Ringen um gesellschaftliche und politische Akzeptanz.
Mit der Kernkraft selbst befassen sich drei Vorlagen, die eng zusammenhängen. Es sind dies einerseits die Volksinitiativen "Strom ohne Atom - Für eine Energiewende und die schrittweise Stilllegung der Atomkraftwerke" sowie "Moratorium Plus - Für die Verlängerung des Atomkraftwerk-Baustopps und die Begrenzung des Atomrisikos". Diese Initiativen sind am 28. September 1999 eingereicht worden. Andererseits handelt es sich um den Entwurf für ein Kernenergiegesetz, um den seit langem gerungen wird und der nach dem Willen des Bundesrats als indirekter Gegenvorschlag zu den beiden genannten Initiativen dem Volk vorgelegt werden soll.

"Strom ohne Atom"
Die Initiative "Strom ohne Atom" geht auf tutti: "Die Atomkraftwerke werden schrittweise stillgelegt", heisst es im zentralsten Absatz, der Ausstieg aus der Atomenergie soll durchgesetzt werden. Im zweiten Absatz verlangt die Initiative den Verzicht auf die Wiederaufarbeitung abgebrannter Kernbrennstoffe und ein dritter Absatz verlangt - immerhin nicht präzisiert - Bundesvorschriften über die Umstellung der Stromversorgung auf nicht nukleare Energiequellen, über die Lagerung radioaktiver Abfälle und die entsprechenden Sicherheitsanforderungen sowie über die Bezahlung der Kosten, die mit Betrieb und Stilllegung der Kernkraftwerke verbunden sind. Betreiber, Anteilseigner und Partnerwerke sollen diese Kosten tragen. In einem Passus, der in die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung eingefügt werden soll, wird dann noch etwas präziser geschossen: Beznau-I und -II sowie Mühleberg sollen spätestens zwei Jahre nach Annahme der Initiative ausser Betrieb genommen werden. Nun dürfen nach geltendem Recht zwischen dem Einreichen der Initiative und der Volksabstimmung darüber höchstens 51 Monate vergehen, sofern ein direkter oder indirekter Gegenvorschlag vorliegt, was hier der Fall ist. Dies würde bedeuten, dass die genannten Kernkraftwerke spätestens Ende Dezember 2005 vom Netz zu gehen hätten. Für Gösgen und Leibstadt soll die Betriebszeit auf 30 Jahre beschränkt werden. In einem weiteren Übergangspassus wird die Ausfuhr abgebrannter Brennstoffe zur Wiederaufarbeitung nach Annahme der Initiative nicht mehr gestattet, das wäre spätestens ab Ende Dezember 2003.

"Moratorium Plus"
Die Initiative "Moratorium Plus" will in die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung hineinschreiben, das während zehn Jahren nach Annahme der Initiative keine Bewilligungen mehr erteilt werden für neue Atomenergieanlagen, für Leistungserhöhungen bei bestehenden Atomkraftwerken und für Reaktoren der nukleartechnischen Forschung und Entwicklung, soweit sie nicht der Medizin dienen. Das ist der eigentliche Moratoriumsteil der Initiative. Diese enthält allerdings weitere neue Verfassungsartikel. Es wird ein referendumspflichtiger Bundesbeschluss verlangt, wenn ein Atomkraftwerk länger als 40 Jahre in Betrieb bleiben soll. Die Betriebszeit dürfe jeweils höchstens um zehn Jahre verlängert werden. Das Verlängerungsgesuch muss Aufschluss über die Sicherheitsprobleme geben, die mit dem Alter der Anlage zusammenhängen und auch sagen, wie die Anlage dem neuesten internationalen Stand der Sicherheit angepasst werden soll. Das ist ein klarer Unterschied zum nun ablaufenden Moratorium. Das neue Volksbegehren befasst sich nicht nur mit dem allfälligen Bau neuer Atomanlagen, sondern macht auch Vorschriften zu den bestehenden Werken.
Mit den beiden weitgehenden Initiativen wollen die Gegner der Kernenergie die für sie teilweise erfolgreiche Strategie von 1990 wiederholen. Die Akzente freilich sind deutlich verschoben. Mit dem Moratorium von 1990 war auch bei manchen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern in beiden energiepolitischen Lagern die Vorstellung von einer Denkpause im Atomstreit verbunden. Die Denkpause hat die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt; die atompolitischen Fronten sind ziemlich unversöhnlich geblieben. Die wirtschaftliche Entwicklung hat jedenfalls für mehr Bewegung gesorgt als das atompolitische Nachdenken. Das angestrebte neue Moratorium wäre denn auch unter keinem Titel als Chance für weiteres Denken zu sehen, sondern einfach als Schritt in einer Ausstiegsstrategie. Die Moratoriumsinitiative legt deshalb ein wesentliches Gewicht vor allem auf die Sicherheitsprobleme, die durch den Alterungsprozess der Anlagen entstehen. Das wird ein wichtiges politisches Feld der zukünftigen atompolitischen Auseinandersetzung werden.

Kernenergiegesetz
Mit dem Entscheid, das Kernenergiegesetz als indirekten Gegenvorschlag zu den beiden Initiativen auszugestalten, ist der Bundesrat - wie immer, wenn ein solches Verfahren gewählt wird - nicht nur auf die Anliegen der Initianten eingetreten, sondern gleichsam nahe an sie herangetreten. Er hat mit seinem Entscheid beschlossen, auf die einzelnen Punkte der Initiativen einzugehen. Trotzdem wird der Entwurf zum Kernenergiegesetz mehr bieten als zwei modifizierte Initiativen. Das zeigt sich schon daran, dass es zwei ziemlich alte und unbestrittenermassen auch veraltete Gesetzestexte ersetzen soll: Das Atomgesetz aus dem Jahr 1959 und den Bundesbeschluss zum Atomgesetz aus dem Jahr 1978. Man muss anerkennen, dass viele Fragen - beispielsweise zur Stilllegung und Entsorgung - heute nur rudimentär geregelt sind. Unter politischen Gesichtspunkten versuche ich, neu zu regelnden Fragen in zwei Gruppen aufzuteilen. Erstens in solche, welche die Zukunft der Atomenergie betreffen, sich also um neue Kraftwerke drehen. Zweitens um Fragen, die sich mit den heute bestehenden Atomanlagen befassen.
Zur ersten Gruppe gehört das Bekenntnis, dass die Option Kernenergie offen gehalten werden soll. Angesichts der beiden neuen Volksinitiativen ist das mehr als eine belanglose Absichtserklärung. Vorläufig trägt ihr auch die erwähnte Departementsstrategie des Uvek Rechnung, welche festhält, dass "die Option für neue Kernenergietechniken mit ausgeprägter passiver und inhärenter Sicherheit langfristig offen gehalten werden soll". Die Departementsstrategie hält auch fest, dass der Bau neuer Atomanlagen - im Gesetzesentwurf die Rahmenbewilligung - dem fakultativen Referendum unterstellt werden soll. Aber auch zur Betriebsbewilligung müsste das Gesetz etwas sagen. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verlangt die Weiterzugsmöglichkeit eines Bewilligungsentscheides an ein Gericht oder eine höhere Instanz. Vielleicht kann man das damit lösen, dass die Betriebsbewilligung auf Departementsstufe - und nicht vom Gesamtbundesrat - erteilt werden kann. Kennzeichnend für die neue Regelung ist, dass für atomrechtliche Bewilligungen eine ausschliessliche Bundeskompetenz geschaffen werden soll. Diskutiert wird jedoch die Möglichkeit, das sogenannte Bergregal der Kantone bestehen zu lassen. Das wäre eine realpolitisch begründbare Wellenberg-Regelung, die dem Kanton Nidwalden eine Mitsprache bei der Errichtung eines Lagers für schwachaktive Abfälle sichern würde.
Mit den bestehenden Atomanlagen wird sich eine weitere Gruppe von Gesetzesbestimmungen befassen. Sie betreffen beispielsweise den sicheren Weiterbetrieb der Anlagen. Dazu kommen Vorschriften zur Stilllegung von Kernkraftwerken und zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Es geht dabei um das umstrittene Thema, ob die offizielle Politik beim bisherigen Konzept einer geologischen Endlagerung bleiben soll oder ob eine kontrollierte Endlagerung mit der Möglichkeit der Rückholung vorgesehen werden soll. Der Bericht der Arbeitsgruppe Wildi zu diesem Thema soll am kommenden 7. Februar vorgestellt werden. Über die Lagerung hochaktiver Abfälle wird der Gesetzesentwurf vermutlich kaum etwas sagen, so auch nichts zur Option einer möglichen Lagerung im Ausland. Die heute gültigen Formulierungen im Strahlenschutzgesetz würden danach vorläufig verbindlich bleiben. Weitere Bestimmungen des Entwurfes für ein Kernenergiegesetzes behandeln die Sicherstellung der Entsorgungskosten. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass eine Verordnung über einen neu einzurichtenden Entsorgungsfonds in Arbeit ist bzw. bereits dem Bundesrat zur Entscheidung vorliegt: Damit soll die Finanzierung der Abfallentsorgung durch einen Fonds sichergestellt werden, ähnlich wie heute die Finanzierung der Stilllegung geregelt ist.
Am umstrittensten sind zwei Themen, die im Gesetz geregelt werden müssen. Erstens die Befristung der bestehenden Betriebsbewilligungen. Ist die Lebensdauer eines Kernkraftwerks 30 Jahre (wie in der Initiative "Strom ohne Atom"), ist sie 40 Jahre, kann sie - unter Auflagen - länger sein und dann wie lange, oder kann sie gar vom Gesetzgeber aus unbefristet bleiben? Befristungen auf 30 und auch auf 40 Jahre setzen die Anlagen - unter den derzeit gegebenen Umständen - unter die Fuchtel des Atomausstiegs. Das zweite umstrittene Thema ist der Verzicht auf die Wiederaufarbeitung. Der Bundesrat hat sich im Kollegium bereits am 6. Juni 1999 für diesen Verzicht entschieden. Obwohl das Tauziehen hinter den Kulissen weitergeht, ist es wahrscheinlich, dass der Bundesrat auf diesen Beschluss nicht mehr zurückkommen wird.
Bei der Gesamtbeurteilung der Situation wird man aus heutiger Sicht sagen müssen, dass die Leitplanken für die Atomenergie künftig wohl enger sein werden als bisher, selbst wenn auf den konsequenten Ausstieg aus der Kernkraft verzichtet wird.

Das Viererpack
Von einigem wirtschaftlichem Gewicht für die Zukunft der Atomenergie wird das so genannte Viererpack sein, über das vermutlich am kommenden 24. September abgestimmt wird. Es geht dabei um die am 21. März 1995 eingereichte sogenannte Energie-Umwelt-Initiative, zu welcher das Parlament nach langen Verhandlungen einen Gegenvorschlag ausgearbeitet hat. Zweitens geht es um die zusammen mit der Energie-Umwelt-Initiative 1995 eingereichte Solarinitiative, zu welcher das Parlament ebenfalls einen Gegenvorschlag in der Form des sogenannten Förderabgabebeschlusses angenommen hat.
Die Energie-Umwelt-Initiative verlangt eine Lenkungsabgabe auf dem Verbrauch aller nicht erneuerbarer Energieträger und der Elektrizität von Wasserkraftwerken mit mehr als einem Megawatt elektrischer Leistung. Der Ertrag soll "sozialverträglich und staatsquotenneutral zur Kompensation der Abgabebelastung von Haushalten und Betrieben" verwendet werden. Der Gegenvorschlag (in der politischen Diskussion als "Grundnorm" bekannt geworden) sieht eine Abgabe von höchstens 2,0 Rp./kWh auf nicht erneuerbaren Energieträgern vor. Die Wasserkraft ist im Gegenvorschlag also klar von der Belastung ausgenommen. Der Ertrag soll zur Senkung der obligatorischen Lohnnebenkosten (AHV/IV/ALV) verwendet werden.
Die Solarinitiative verlangt eine indexierte Abgabe von 0,5 Rp./kWh auf nicht erneuerbaren Energieträgern. Mit dem Ertrag sollen die Sonnenenergienutzung auf überbauten Flächen sowie die effiziente Energienutzung gefördert werden. Der Gegenvorschlag zur Solarinitiative verlangt eine zweckgebunden Förderabgabe von 0,3 Rp./kWh auf dem Energieinhalt der nicht erneuerbaren Energieträger, und zwar während 10, höchstens während 15 Jahren. Die Förderabgabe soll für die Förderung von Sonnenenergie, geothermischer Energie, Energie aus Holz und Biomasse verwendet werden, aber auch für die rationelle Energienutzung und für die einheimische Wasserkraft; eine sehr bunte Subventionspalette.
Zumindest nach dem Willen ihrer Erfinder wird die Atomenergie von allen vier Vorlagen belastet; nur die Energie-Umwelt-Initiative formt die Spiesse gegenüber der Wasserkraft ungefähr gleich lang. Die Formulierungen der andern Vorlagen machen die geforderten Abgaben im Strombereich fast zu einer Art "Atombatzen", denn andere nicht erneuerbare Energien zur Stromerzeugung werden in der Schweiz ja nur in sehr geringem Umfang eingesetzt. Wie im Falle einer Annahme dieser Vorlagen in der Volksabstimmung zu reagieren wäre, ist in erster Linie eine Sache wirtschaftlicher Überlegungen.

Quelle

Alfred Neukom

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