Strom als Schlüsselenergie für die Klimazukunft
Energieeffizienz allein reicht nicht, die Schweiz muss gleichzeitig mehr Strom aus dem CO2-armen Verbund von Erneuerbaren und Kernenergie bereitstellen. Zu diesem Schluss kommt Dr. Stefan Hirschberg vom Labor für Energiesystem-Analysen des Paul Scherrer Instituts (PSI). Hirschberg sprach am Feierabend-Apéro der Schweizerischen Gesellschaft der Kernfachleute am 5. Mai 2009 in Baden.
![Stefan Hirschberg: «Die CO[sub]2[/sub]-arme Stromerzeugung ist entscheidend für eine wirkungsvolle Senkung der CO[sub]2[/sub]-Emissionen.»](https://assets.nuklearforum.ch/sites/default/files/styles/gatsby_content_l/public/Hirschberg.jpg?itok=tdQSqcT-)
Die laufend verbesserte Energieeffizienz hat nach den Ausführungen Hirschbergs zwar schon in der Vergangenheit eine sehr wichtige Rolle gespielt und eine weitere Steigerung sei notwendig. Aber, Energieeffizienz alleine wird nicht ausreichen, um die Ziele einer nachhaltigen Energiepolitik zu erreichen. «Viele Leute, die von der 2000-Watt-Gesellschaft sprechen, haben die Komplexität und die Implikationen dieser Vision nicht verstanden», sagte Hirschberg.
Nach seinen Berechnungen kann die Schweiz bis 2050 ihren Energieverbrauch zwar mit effizienteren Technologien um 30% senken – vor allem in den Bereichen Gebäude und Verkehr. Das alleine garantiert aber keine substanzielle Abnahme der CO2-Emissionen. Notwenig ist vor allem die Forcierung aller CO2-armen Energietechnologien beziehungsweise die Substitution von Erdöl und Erdgas.
Klimaschutz bedeutet Ausbau der Stromanwendungen
In der Schweiz nimmt heute auch bei Wirtschaftswachstum der Energieverbrauch insgesamt nicht mehr zu – wohl aber der Stromverbrauch. Hier setzte Hirschberg an: «Elektrizität wird in unserer Dienstleistungsgesellschaft in Zukunft wichtiger denn je», betonte er.
Die entsprechenden PSI-Szenarien erwarten bis 2050 eine Zunahme des Schweizer Stromverbrauchs von +38%, falls keine Vorgaben gemacht werden. Bei Massnahmen einzig zur Halbierung der CO2-Emissionen (Substitution von Erdöl und Erdgas) steigt der Stromverbrauch sogar um +49%. Bei einer Politik, die den CO2-Ausstoss halbiert und gleichzeitig den Gesamtenergiebedarf von heute rund 4800 Watt pro Kopf auf etwa 3500 Watt senkt, nimmt der Stromverbrauch immer noch um +23% zu. «Die CO2-arme Stromerzeugung ist daher entscheidend für eine wirkungsvolle Senkung der CO2-Emissionen», unterstrich Hirschberg.
«Sowohl-als-auch» als Königsweg
Zur klimafreundlichen Bedarfsdeckung sind laut Hirschberg sowohl die erneuerbaren Energien wie auch die Kernenergie nötig. Bei der Grosswasserkraft rechnet er aufgrund der politischen Widerstände mit keinem wesentlichen Ausbau mehr. Den bis um das Jahr 2030 technisch machbaren Beitrag der neuen erneuerbaren Energien (Kleinwasserkraft, Biomasse, Wind, Sonne, Geothermie) beziffert er auf 10% des Stromverbrauchs, allerdings um den Preis von jährlichen Zusatzkosten von CHF 300–500 Mio. Bei der Kernenergie kommt er hingegen zum Schluss, dass die Reaktorsysteme der dritten Generation an bestehenden Standorten wettbewerbsfähig Strom erzeugen können.
Skeptisch zeigte sich Hirschberg bei der Photovoltaik: Sie bleibe voraussichtlich – auch bei der Annahme einer Halbierung der Kosten in den kommenden zwei Jahrzehnten – die bei weitem teuerste Stromquelle. Zudem stelle sich die Frage nach der langfristigen Verfügbarkeit der wegen der geringen Energiedichte benötigten grossen Mengen an Rohstoffen. Dieses Materialproblem werde den solaren Systemen auch in Zukunft eine Limite setzen.
Kernenergie: tiefste (Umwelt-)Kosten versus Akzeptanz
Die Berechnung der Gesamtkosten von Stromerzeugungssystemen (einschliesslich der externen Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsschädigungen) durch die Wissenschafter des PSI gibt einen Hinweis auf ihre jeweilige ökonomische und ökologische Effizienz unter Schweizer Bedingungen: Demnach sind aus heutiger Sicht unter den CO2-armen Technologien im Jahr 2030 die Kernkraftwerke die günstigste Stromquelle, gefolgt von Wärme-Kraft-Koppelung mit Biogas, Laufwasserkraftwerken und – spekulativ – geothermischen Kraftwerken. Umgekehrt zeigen hierzulande Windanlagen und insbesondere die Photovoltaik die geringste ökonomische und ökologische Effizienz unter den CO2-armen Systemen.
Der kritische Faktor der Kernenergie liege bei der Akzeptanz, kommentierte Hirschberg diese Ergebnisse. Im Auge zu behalten seien zudem die Zinsen. Allerdings bliebe Nuklearstrom auch bei einer Verdoppelung der Kapitalkosten günstig im Vergleich zu den übrigen CO2-armen Systemen.
Quelle
M.S.