Strom bleibt knappes Gut

Nicht nur die Emerging Markets sorgen dafür, dass die Nachfrage nach (Atom)-Strom steigt. Die jüngsten Prognosen aus der Informationstechnologie verweisen ebenso auf einen hohen künftigen Bedarf in den traditionellen Industriestaaten. An diesem Trend ändern energieeffizientere elektronische Geräte kaum etwas.

18. Okt. 2010
Trotz Energieeffizienz: Die globale Nachfrage nach Strom steigt weiterhin.
Trotz Energieeffizienz: Die globale Nachfrage nach Strom steigt weiterhin.
Quelle: Hans Peter Arnold

Immer wieder wird ins Feld geführt, dass eine höhere Energieeffizienz die Nachfrage nach Elektrizität dämpft oder sogar sinken lässt. Dazu zwei Thesen, die unter Analysten unbestritten sind:

  1. Die globale Nachfrage nach Strom wird in den nächsten Jahrzehnten markant steigen – gerade aufgrund des Energiehungers der Emerging Markets. Derzeit konsumieren die 30 OECD-Staaten gut die Hälfte des jährlichen globalen Primärenergie-Verbrauchs. Doch die Schwellenländer holen auf, dies dank des Effektes der Wohlstandssteigerung und des höheren Outputs der Industrie. Seit 2003 tragen die Emerging Markets jährlich mehr als die Hälfte zum Wachstum der globalen Wertschöpfung bei.
  2. Selbst in den traditionellen Industrieländern ist eine Stabilisierung oder sogar eine Reduktion der Stromnachfrage unwahrscheinlich. Darauf verweist der reissende Absatz elektronischer Geräte. Zudem wird der Energiemix verschoben – weg von den fossilen Energiequellen, hin zu Elektrizität. Mit anderen Worten: Technische Effizienzgewinne werden den höheren Verbrauch aufgrund neuer Anwendungen nicht kompensieren können.

Eindrücklich lässt sich dieser Trend in der Informations-Technologie (IT) verfolgen. Gerade die 50. IFA in Berlin, die weltgrösste Messe für Consumer Electronics, hat gezeigt, wie massiv das Wachstum in diesem Bereich ist. Der Markt für Konsumelektronik wird wertmässig in diesem Jahr um fünf 5% wachsen. Der Geräteabsatz dürfte jedoch rund 10% steigen.

Unter den IT-Experten erhält die Studie «Visual Networking Index» von Cisco grosse Beachtung. Diese Prognosen verblüffen: Der führende Internet-Netzwerkausrüster geht davon aus, dass der Datenverkehr bis ins Jahr 2014 im Festnetz um jährlich 35% wächst. Im mobilen Netz beträgt das Wachstum sogar rund 110% pro Jahr. Die Fläche der installierten Displays (PC-Monitore, TV-Panels, Smartphones) steigt global jährlich um 10%. Die Anzahl Minuten, die Konsumenten im Internet verbringen steigt jährlich um 15%. Zwischen 2009 und 2014 wird sich dieser Wert beinahe auf 7,7 Trillionen Minuten pro Monat verdoppeln. Multimedia gilt als Schlüssel-Applikation. Das Motto heisst «always on» oder im Jargon von Cisco «Hyperconnectivity». Unnötig zu sagen, dass die Produktion und der Betrieb all dieser Produkte im Bereich Consumer Electronics energieintensiv sind.

Die Cisco-Analysten veranschaulichen den durchschnittlichen monatlichen Traffic im Jahr 2014 wie folgt: «Das ist gleichbedeutend, wie wenn 32 Millionen Menschen den Film Avatar in 3D nonstop über den gesamten Monat hinweg streamen beziehungsweise betrachten würden.»

Folgende Faktoren sind für «always on» verantwortlich: zunehmende Durchdringung der High-Speed-Breitbandnetze, die rasante Verbreitung digitaler Displays, höhere Auflösung der Bildschirme, Verbreitung netzwerkfähiger Geräte und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit beziehungsweise Geschwindigkeit von Desktop-PC, Notebooks und Netbooks. Internet-Video und Internet-TV (beispielsweise Swisscom-TV) werden im Jahr 2014 mit 56% den wichtigsten Anwendungsbereich im gesamten Internetverkehr darstellen.

Cisco betont, dass ihre Annahmen konservativ seien. Es würden sich Tendenzen abzeichnen, die das Potenzial hätten, den Internetverkehr noch markanter zu steigern. So zum Beispiel, wenn Medien noch stärker online statt offline konsumiert würden. Derzeit wird immer noch ein hoher Anteil der Video-Streams via Broadcast konsumiert. Wenn ein grösserer Teil der Konsumenten Unicast – ein Signal ist nur für einen Nutzer bestimmt – bevorzugt, hätte dies dramatische Auswirkungen. Schliesslich «fressen» High Definition und dreidimensionales TV hohe Bandbreiten. An sich gehen Prognostiker davon aus, dass erst in drei bis fünf Jahren von dieser Seite her ein exponentielles Wachstum erfolgen wird. Doch 3D-fähige PC könnten den Durchbruch viel schneller ermöglichen.

Nicht nur die IT ist hungrig nach Strom. In Zukunft weisen uns vermehrt elektronische Leitsysteme – sogenannte Digital Signage – den Weg. Auch in der Architektur werden leuchtende Aussenfassaden zu einem immer wichtigeren gestalterischen Instrument.

Energieeffizienz kann viel – aber nicht alles. Forschung und Entwicklung helfen einzig, dass der Stromverbrauch nicht im selben Tempo wie der Geräteabsatz ansteigt. Das realistische Ziel bezüglich der Nachfrage nach (Atom-)Strom heisst: gedämpftes Wachstum.

Quelle

Hans Peter Arnold

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