Studie zu Kosten eines Reaktorunfalls in Frankreich
Das französische Institut de radioprotection et de sûreté nucléaire (IRSN) hat die wirtschaftlichen Kosten eines Reaktorunfalls in Frankreich geschätzt. Demnach würde ein «ernsthafter Unfall» durchschnittliche Kosten in der Höhe von EUR 120 Mrd. (CHF 150 Mrd.) verursachen und ein «schwerwiegender Störfall» rund EUR 430 Mrd. (CHF 530 Mrd.).
Das IRSN stellte am 6. Februar 2013 eine Studie zu den Kosten eines nuklearen Unfalls mit Freisetzung radioaktiver Stoffe in Frankreich den Medien vor. Diese Studie war bereits im November am 2012 Eurosafe Forum präsentiert worden.
Fünf Kostenkategorien
Die Studie schätzt die direkten, indirekten und induzierten Kosten eines Reaktorunfalls anhand zweier Szenarien ab. Sie unterscheidet dabei fünf Kostenkategorien:
- Kosten, die vor Ort entstehen wie die Kosten für Sanierung und Stilllegung des Reaktors sowie für den Stromersatz
- Kosten, die ausserhalb des Standortes entstehen wie gesundheitliche und psychologische Schäden sowie Einbussen bei der Landwirtschaft
- Imagekosten wie Auswirkungen auf Tourismus, Landwirtschaft, Nahrungsmittelexporte und weitere wirtschaftliche Einbussen
- Kosten im Zusammenhang mit der Stromproduktion
- Kosten infolge Evakuierung aus gefährdeten und kontaminierten Gebieten.
Die Autoren der Studien schätzten die Kosten anhand zweier Szenarien ab, die beide von einer hypothetischen Kernschmelze mit Freisetzung radioaktiver Stoffe in einem französischen Reaktor ausgehen. Szenario 1, ein «ernsthafter Unfall», geht dabei von einer Kernschmelze mit einer mehr oder weniger kontrollierten Freisetzung radioaktiver Stoffe aus. Szenario 2 beschreibt einen «schwerwiegenden Unfall», dessen Kernschmelze eine massive, unkontrollierte Freisetzung zur Folge haben würde.
Kosten eines «ernsthaften Unfalls»
Die Gesamtkosten unter Szenario 1 schätzen die Autoren auf EUR 120 Mrd. (CHF 150 Mrd.), was rund 6% des französischen Bruttoinlandprodukts (BIP) entspricht. Sie betonen, dass die Mehrheit der Kosten auf rund drei Jahre verteilt wäre und das BIP nicht in einem Jahr belasten würde. Gesamthaft würden die Einbussen – je nach Wachstumsentwicklung – drei bis sechs Jahren Wirtschaftswachstums entsprechen. Die Imagekosten und die Kosten für den Ersatz der wegfallenden Stromerzeugung würden mit 77% den weitaus grössten Teil ausmachen. Die Kosten infolge der radioaktiven Kontamination und der Evakuierungen würden zusammen 18% betragen. Laut Studie müssten rund 3500 Einwohner evakuiert werden, was Frankreich zufriedenstellend bewältigen könnte. Die mehr oder weniger kontrollierte radioaktive Freisetzung würden zudem recht wirksame Gegenmassnahmen erlauben.
Je nach Ausmasse des hypothetischen Unfalls könnten die Kosten zwischen EUR 55 Mrd. (CHF 70 Mrd.), also -55%, und EUR 240 Mrd. (CHF 300 Mrd.) also +100% oder mehr variieren, geben die Autoren zu bedenken.
Kosten eines «schwerwiegenden Unfalls»
Unter dem Szenario 2 «Schwerwiegender Unfall» würden sich die Gesamtkosten auf EUR 430 Mrd. (CHF 530 Mrd.) belaufen, was gut einem Fünftel des französischen BIP entspricht. Die Kosten zur Bekämpfung der radioaktiven Kontamination und der Evakuierungen würden dabei über EUR 160 Mrd. (CHF 200 Mrd.) betragen, gut acht Mal mehr als unter Szenario 1. Rund 100’000 Einwohner müssten evakuiert werden, was laut Studie schwierig zu bewältigen wäre. Die Kosten des Imageverlusts schätzten die Autoren auf EUR 166 Mrd. (CHF 205 Mrd.), rund 3,5 Mal mehr als unter Szenario 1. Die geschätzten Kosten unter Szenario 2 könnten sich in einer Bandbreite von -60% und +120% bewegen, so die Autoren.
Es sei zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Reaktorunfälle sehr gering sei, gab Patrick Momal, einer der Autoren, zu bedenken. «Schätzungen wie diese helfen Entscheidungsträgern, die Kosten von Präventivmassnahmen ins richtige Verhältnis zu setzen.»
Quelle
M.A. nach Ludivine Pascucci-Cahen und Patrick Momal, «Massive radiological releases profoundly differ from controlled releases», 2012 Eurosafe Forum, November 2012