Südafrika in Startlöchern für neue Kernkraftwerksprojekte
Die südafrikanische Energieministerin, Dipuo Peters, erläutert die Pläne für den Aufbau eines Kernkraftwerkparks in ihrem Land. Peters war Hauptrednerin beim International Youth Nuclear Congress 2010 (IYNC 2010), der vom 12. bis 18. Juli 2010 in Kapstadt, Südafrika, stattfand.

Wie passt die Kernenergie in die Energiepolitik der südafrikanischen Regierung?
Im Mai diesen Jahres hat unser Präsident einen ministerienübergreifenden Ausschuss zum Thema Energie geschaffen, um den zweiten Integrated Resource Plan* (IRP) zu entwerfen. Wir hatten bereits zuvor eine Debatte über die Kernenergie als Quelle für die Grundlast-Stromversorgung begonnen, insbesondere im Hinblick auf die Herausforderungen, vor die uns die Verringerung der Treibhausgasemissionen stellt.
Unser Präsident war einer der wesentlichen Akteure beim Abkommen von Kopenhagen, obwohl wir als sogenannter Annex-Staat das Abkommen nicht unterzeichnen mussten. Um unsere langfristigen Ziele zur Abschwächung des Klimawandels zu erreichen, müssen wir uns auf eine alternative Grundlaststromversorgung konzentrieren. Wir haben über erneuerbare Energien als Teil unseres IRP nachgedacht und investieren bereits in solarthermische Energie und Windenergie. Aber wir wissen, dass wir uns auf diese Quellen nicht wirklich verlassen können. Aus Gründen der Versorgungssicherheit brauchen wir eine Grundlastdeckung, die gleich gross wie die durch Kohle erzeugte oder sogar noch grösser ist. Daher beschäftigen wir uns mit der Kernenergie.
Können wir jetzt mit dem Bau neuer Kernkraftwerke in Südafrika rechnen?
Wir fassen einen Reaktorpark ins Auge. Zwar hat das Energieministerium noch nicht über die Anzahl der Reaktoren entschieden, aber wir sind mit den letzten Details beschäftigt und werden das Projekt bald vor das Kabinett bringen. Das Kabinett wird voraussichtlich bis im September 2010 eine erste Entscheidung treffen und die wird «Ja zur Kernenergie» lauten.
Aber Südafrika hatte bereits zuvor die Absicht angekündigt, seine nuklearen Kapazitäten zu vergrössern.
Ja! 2007 hatte Südafrika eine Ausschreibung für ein Kernkraftwerk veröffentlicht. Doch dann gingen Angebote ein und angesichts der Kosten wurde klar, dass für eine derart hohe Investition zuerst die nächste Phase unserer nationalen Kernenergiestrategie erarbeitet werden musste. Wir konnten diese Summe nicht einfach für den Bau eines einzigen Kernkraftwerks ausgeben. Wir benötigen einen weiter reichenden Kernenergieplan. Jetzt brauchen wir einen grösseren Pool an Lieferanten und Ländern, die uns bei dem Bauvorhaben unterstützen können. So haben wir eine grössere Auswahl an Technologien aus der ganzen Welt.
Was sind jetzt, da die Regierung die Kernenergie unterstützt, die nächsten Schritte?
Zuerst entscheidet das Kabinett, dass die Kernenergie [zur Erzeugung von Grundlaststrom] der richtige Weg ist. Dann geben wir Machbarkeitsstudien in Auftrag, wahrscheinlich gegen Ende des Jahres. Auf diese Studien folgt eine Investorenkonferenz. Das Kabinett wird uns grünes Licht für die Durchführung der Konferenz geben, zu der alle wichtigen internationalen Akteure eingeladen werden. Doch wenn internationale Unternehmen hier arbeiten sollen, müssen wir auch klären, was lokal bezogen werden kann.
Wir müssen unsere lokalen Kapazitäten einbeziehen, da der Industrial Policy Action Plan der Regierung von uns verlangt, sicherzustellen, dass jeder ausgegebene Rand einen «Lokalisierungsaspekt» hat oder im Inland Zinsen erzeugt. Diese Investorenkonferenz wird uns eine gute Möglichkeit bieten, einzuschätzen, was gebraucht wird und welche lokalen Hersteller verfügbar sind. Mit einem neuen Kernkraftwerkspark könnten wir die lokale Stahlindustrie und andere Industriezweige stark ankurbeln. Das ist ein weiterer Grund für die Investorenkonferenz, die eine Partnerschaft zwischen dem Handels- und Industrieministerium, dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und dem Energieministerium umfassen sollte.
Sie haben am IYNC 2010 von einer «Neuerfindung» des Hochtemperaturreaktor-Projekts Pebble Bed Modular Reactor – PBMR gesprochen. Was genau meinten Sie damit?
Ich habe darauf hingewiesen, dass die Nuclear Energy Corporation of South Africa, NECSA, mit der Produktion und der Entwicklung von Bereichen begonnen hat, die unserer Meinung nach sehr wichtig sein werden. Im Moment finden mehrere Prozesse parallel statt und deshalb habe ich gesagt, dass das PBMR-Projekt neu erfunden wird. Mit dieser Neuerfindung wird der PBMR den Bedürfnissen des Landes besser entsprechen. Denn es geht nicht nur um die Frage, was wir für die Welt entwickeln können. Wir brauchen etwas, das auch für uns hier in Südafrika funktionieren kann.
Sprechen wir über die Kommunikation und die öffentliche Akzeptanz. Hat das Energieministerium bereits Pläne ausgearbeitet, um der Öffentlichkeit die Kernenergie näher zu bringen?
Ja, aber das geschieht im Kontext der Versorgungssicherheit. Ich wünsche mir die aktive Beteiligung von Kernenergiespezialisten in Südafrika, wie den jungen Leuten, die am IYNC 2010 in Kapstadt teilgenommen haben. Sie sind an vorderster Front tätig und können wirklich mit den Mythen über die Kernenergie aufräumen. Sie könnten den Menschen die Angst vor der Kernenergie nehmen.
Die südafrikanische Regierung muss den Bürgern ausserdem zeigen, dass sie sich bewusst entschieden hat, das Kernwaffenprogramm aufzugeben. Wir wollen den Menschen sagen: «Wir verwenden Nukleartechnologie, um die Nation zu heilen [mit Nuklearmedizin], um die Nation zu ernähren, um sie mit Wasser und mit Strom zu versorgen.» Wenn die Menschen internationale Schlagzeilen über den Iran und Nordkorea lesen, stellen sie sich die Frage, wozu diese Länder Nukleartechnologie verwenden werden. Daher sind Erklärungen erforderlich und wir müssen die Nukleartechnologie für unsere Bürger in den richtigen Kontext bringen. In meinen Reden versuche ich, in einer Sprache über Nukleartechnologie zu sprechen, die jeder verstehen kann.
Wenn wir im Parlament eine Debatte über Kernenergie führen, werde ich den Kernenergiegegnern sagen: «Okay … dann müssen wir das Licht ausschalten.» Oder die Parlamentarier besichtigen stattdessen das Kernkraftwerk Koeberg, genau wie Schulkinder. Doch Schulkinder bestimmen erst in Zukunft mit, und wir brauchen heute Entscheidungen.
Sie haben die Herausforderungen unterstrichen, die dadurch entstehen, dass ein erheblicher Teil der Gemeinden nicht an das Netz angeschlossen ist. Was können Sie dem hinzufügen?
Es stimmt, dass gewisse Gemeinden immer noch nicht angeschlossen sind. Und eine weitere Herausforderung ist, dass einige erneuerbare Energien immer noch teuer sind und als nicht getestete Technologien gelten – CO2-Abscheidung und -Speicherung ist ein solches Beispiel. Doch wir sind Mitglied des Carbon Capture and Sequestration Leadership Forum und wir wollen saubere Kohle einsetzen.
Südafrika hat einen echten Strombedarf bedingt durch eine wachsende Wirtschaft und Bürger, die nach Strom verlangen. Ausserdem müssen wir die Millennium-Entwicklungsziele berücksichtigen. Diese beinhalten die Halbierung von Armut und Arbeitslosigkeit. Eines der wesentlichen Elemente für die Verringerung der Armut ist das Wirtschaftswachstum, und das geht nicht ohne Zugang zu Strom.

*Der Integrated Resource Plan ist ein nationaler Elektrizitätsplan für Südafrika, der den langfristigen Ausbau der Stromversorgung und die Entwicklung einer nationalen Nuklearstrategie für die Stromerzeugung für die Zeit nach 2020 umfasst.
Quelle
Das Gespräch führte Mathieu Carey, NucNet