«Technology Roadmap»: Mit Kernenergie globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzen
Fünf Jahre nach der Erstausgabe haben die Internationale Energieagentur (IEA) und die Nuclear Energy Agency (NEA) der OECD ihre «Technology Roadmap Nuclear Energy» aktualisiert. Die «Roadmap» postuliert, dass sich die weltweit installierte Kernenergiekapazität bis 2050 verdoppeln muss, um den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad beschränkten zu können.
Im Jahr 2010 veröffentlichten die IEA und die NEA zum ersten Mal ihre gemeinsame «Technology Roadmap Nuclear Energy». In den vergangenen fünf Jahren haben sich wichtige Parameter im Umfeld der Kernenergie verändert: Neben dem Reaktorunfall von Fukushima-Daiichi haben auch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Schwäche der Elektrizitäts- und CO2-Märkte dazu beigetragen. Ebenfalls hat der rasant gestiegene Abbau von unkonventionellem Gas und Öl die Dringlichkeit in einigen Teilen der Welt verringert, neue Produktionstechnologien zu entwickeln. Gerade die USA konnten dank der Fracking-Methode ihren CO2-Ausstoss drastisch reduzieren. Ebenso sank der Strompreis in weiten Teilen dieses Landes und die interne Nachfrage nach Kohle ging zurück. Diese wird nun vermehrt nach Europa exportiert. Paradoxerweise wird sie besonders von Deutschland nachgefragt, das nach seinem politischen Ausstieg aus der Kernenergie wieder vermehrt fossile Energiequellen konsumiert.
Angesichts dieser Veränderungen haben die IEA und die NEA ihre «Roadmap» aktualisiert. Das Ergebnis unterstreicht, dass Kernenergie eine bewährte kohlenstoffarme Quelle von Bandenergie bleibt, deren Wichtigkeit zahlreiche Länder in ihren Energiestrategien bestätigt haben.
Kohlenstoffarme Kernenergie reduziert globalen Temperaturanstieg
Die «Roadmap» stützt sich auf die Vision der «Energy Technology Perspectives 2015» der IEA, die beschreibt, wie sich Technologien im ganzen Energiesektor transformieren müssen, um den globalen Temperaturanstieg mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% auf 2°C zu begrenzen. Demnach sollte sich die weltweit installierte Kernenergiekapazität bis 2050 mehr als verdoppeln, um dann 930 GW zu erreichen. Angesichts dieser Zahlen stimmt es die Autoren der «Roadmap» positiv, dass Anfang 2014 72 neue Einheiten in Bau waren, die höchste Anzahl seit 25 Jahren. Neben China bauen vor allem Indien, der Mittlere Osten und Russland neue Reaktoreinheiten. Innerhalb der OECD setzen insbesondere Grossbritannien, Korea, Polen und die Türkei auf den Ausbau der Kernenergie. Dabei nimmt die nukleare Sicherheit stets höchste Priorität ein.
Die «Roadmap» nennt verschiedene Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit die Kernenergie ihr volles Potenzial entfalten kann. So hätten die Lehren aus Fukushima-Daiichi gezeigt, dass Regulatoren stark und unabhängig sein müssen. Die Sicherheitskultur müsse zudem in sämtlichen Hierarchiestufen und auch bei der Lieferantenkette tief verankert sein. Regierungen wiederum wären in der Pflicht, stabile, langfristige Investitionskonzepte zusammen mit angemessenen Strompreisen für sämtliche kohlenstoffarmen Produktionstechnologien anzubieten. Zusätzlich sei die Forschung und Entwicklung zu stärken, dies insbesondere in den Bereichen nukleare Sicherheit, fortgeschrittene Brennstoffzyklen, Entsorgung und innovative Auslegungen. Grosse Hoffnungen setzten die Autoren der Studie auf Small Modular Reactors (SMR).
Technologieanbieter hätten zu beweisen, dass sie innerhalb der nötigen Zeit und des freigegebenen Budgets eine neue Anlage bauen können. Verstärkte Standardisierung und Harmonisierung – etwa von regulatorischen Prozessen – könnten dazu beitragen, die Kosten zu senken. Länder, die neu in die Kernenergie einsteigen wollten, müssten die benötigte Infrastruktur aufbauen, bevor sie ihre nuklearen Programme anstossen. Die Ausbildung kompetenter Fachkräfte und das Schaffen eines unabhängigen Regulators nehme indes viel Zeit in Anspruch und setzt eine langfristige Planung voraus. Schliesslich sollten Regierungen ihre Anstrengungen verstärken, nuklearen Abfall sicher zu lagern, und dazu eng mit den lokalen Behörden und der Bevölkerung zusammenarbeiten.
Vorteile der Kernenergie anerkennen
Generell sei auch die öffentliche Akzeptanz der Kernenergie zu stärken. Dafür seien transparente und faktenbasierte Informationen über die Risiken und die Vorteile der Kernenergie zentral. Die Rolle, die die Kernenergie in Bezug auf Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Klimaschutz und Qualität der Luft sowie für die Netzstabilität spiele, verdiene es, besser bekannt zu werden.
Um den globalen Temperaturanstieg auf 2°C begrenzen zu können, brauche es zusätzlich zur Kernenergie auch einen Mix aus neuen erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, modernen Fahrzeugen sowie Möglichkeiten zur Kohlenstoffbindung und -speicherung, so die «Roadmap».
Quelle
S.Ry. nach IEA und NEA, «Technology Roadmap Nuclear Energy», 2015 Edition