Tschernobyl-Zone: mehr Cäsium an Oberfläche als erwartet

Eine ukrainisch-amerikanische Forschergruppe, die seit dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 den Kontaminationsverlauf in der Ausschlusszone um den Standort messtechnisch verfolgt, hat in oberflächennahen Bodenproben von 2007 weit mehr Cäsium-137 (Cs-137) gefunden, als laut Messungen an Proben von 1992–95, Lehren aus anderen Kontaminationsfällen und Modellrechnungen zu erwarten war.

1. Feb. 2010

Die Gruppe aus Wissenschaftern des Savannah River National Laboratory im amerikanischen Department of Energy, des Forschungsinstituts für Agrarradiologie der Nationalen Ukrainischen Universität für Bio- und Umweltwissenschaften in Tschabani sowie des International Radioecology Laboratory in Slawutitsch entnimmt seit 1987 Boden-, Pflanzen- und Tierproben an definierten Stellen in der Zone und bestimmt die Restaktivität anhand von Leitisotopen. Dort, wo in der Zone Gras wächst, stammen die Bodenproben aus den obersten 5 cm. Gemessen werden die Gehalte an Strontium-90, Cs-137 und Plutonium-239/-240. Das Ziel ist die Bestimmung der Umwelthalbwertzeit tecol des Fallouts in den verschiedenen Zonenbereichen, um Voraussagen über den künftigen Kontaminationsverlauf machen zu können.

Atypische Entwicklung beim Cäsium

Aus der Messung der Restaktivität der Bodenproben wurde die tecol errechnet, das heisst die Zeit, in der die Konzentration der gemessenen Substanz am Entnahmeort unabhängig vom radioaktiven Zerfall durch Umweltprozesse auf die Hälfte absinkt. Beim Cs-137 ergaben die 1992–95 entnommen Proben je nach Bodenqualität einen tecol von 11–150 Jahren, was in etwa den Erwartungen entsprach. Die Proben von 2007 hingegen zeigten unerwartet hohe Werte im Bereich von 90–320 Jahren an. Das ist mindestens dreimal länger als die radiologische Halbwertszeit (30,07 Jahre), was für die Schätzung der künftigen Ortsdosisleistung entsprechend ins Gewicht fällt. Die anderen Leitisotope verhielten sich hingegen wie erwartet.

Erklärungen gesucht

Verschiedene Umweltprozesse sind denkbar, die das unerwartete Ergebnis erklären können. Unter den Hypothesen, die die Forschergruppe jetzt mit zusätzlichen Untersuchungen prüfen möchte, gehören Verfrachtungen durch den Wind aus Zonengebieten mit höherer Cs-137-Restkontamination oder das Wandern von Cs-137 aus tieferen Bodenschichten zurück an die Oberfläche.

Quelle

P.B. nach G. T. Jannik et al., Vertical Migration of Radionuclides in Soils on the Chernobyl Nuclear Power Plant Exclusion Zone 1987–2007, American Geophysical Union AGU, Fall Meeting 2009, 14. Dezember 2009

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