UNECE: Kernenergie als stabilisierender Faktor im Stromsystem
Eine neue Studie im Auftrag der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) kommt zu einem klaren Schluss: Die Bewertung von Stromerzeugungstechnologien allein anhand der Produktionskosten greift zu kurz. Erst eine ganzheitliche Betrachtung der Systemkosten zeige, welchen zentralen Beitrag Kernenergie für stabile, klimafreundliche und wirtschaftliche Stromsysteme leisten könne.

In ihrer Studie «Understanding the Full System Cost of the Electricity System», die das Beratungsunternehmen Quantified Carbon im Auftrag der UNECE erstellt hat, hinterfragen die Autoren die verbreitete Praxis, Stromtechnologien primär über Kennzahlen wie die Levelized Cost of Electricity (LCOE) zu vergleichen. Diese Kennzahl erfasse zwar die Kosten der Stromerzeugung, lasse aber entscheidende systemische Effekte ausser Acht.
Die Studie hält fest: «Die traditionelle LCOE-Metrik kann systemkritische Technologien unterbewerten oder die Wirtschaftlichkeit einzelner Optionen überschätzen, da sie die systemweiten Auswirkungen nicht berücksichtigt.» Um diese Lücke zu schliessen, schlägt die UNECE einen Full-System-Cost-Ansatz vor.
Dieser Ansatz berücksichtigt neben den direkten Erzeugungskosten auch zusätzliche Kosten und Leistungen, die für das Funktionieren eines Stromsystems notwendig sind. Dazu zählen unter anderem Profilkosten (Kosten durch zeitliche Fehlpassung von Stromerzeugung und Nachfrage) sowie Ausgleichskosten (Kosten für Prognosefehler, Reservehaltung und Regelenergie), aber auch Aufwendungen für Netzstabilität, Speicher, Flexibilität und Resilienz in Extremsituationen. Ziel ist es, Technologien nach ihrem Beitrag zum Gesamtsystem zu bewerten und nicht isoliert zu betrachten.
Systemwert der Kernenergie ist sehr hoch
In dieser umfassenden Analyse wird der Systemwert der Kernenergie besonders deutlich. Als CO₂-arme, wetterunabhängige und jederzeit verfügbare Stromquelle verursacht Kernenergie sehr geringe Profil- und Ausgleichskosten. Die UNECE betont, dass Technologien mit hoher Verfügbarkeit und Planbarkeit systemisch besonders wertvoll sind, da sie den Bedarf an zusätzlichen Backup- und Flexibilitätslösungen reduzieren. Entsprechend hält die Studie fest, dass solche dispatchfähigen, CO₂-arme Technologien eine zentrale Rolle für stabile und kosteneffiziente Stromsysteme spielen.
Die UNECE verweist zudem auf die Bedeutung eines diversifizierten Technologiemixes. Stromsysteme, die sich stark auf variable Erzeugung stützen, benötigen zusätzliche Infrastruktur und Dienstleistungen, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Kernenergie kann hier eine komplementäre Rolle übernehmen, indem sie die Integration erneuerbarer Energien unterstützt und die Gesamtsystemkosten begrenzt. Die Studie betont, dass bei der Bewertung von Stromquellen nicht nur die reinen Produktionskosten zählen, sondern auch wann, wie und wie zuverlässig Strom verfügbar ist — weil diese Eigenschaften das Stromsystem insgesamt beeinflussen.
Quelle
S.D. nach UNECE vom 2. Dezember 2025