Uran – eine Energieressource mit Zukunft

Vor dem Hintergrund des angekündigten Neubaus von Kernkraftwerken stellt sich die Öffentlichkeit Fragen zur Verfügbarkeit und zur Umweltbilanz des Rohstoffs Uran – Antworten von Tony Williams, Leiter Kernbrennstoffe der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG.

15. Mai 2008
Einlagerung eines Brennelementes in das Trockenlager im Reaktorgebäude des Kernkraftwerks Gösgen.
Einlagerung eines Brennelementes in das Trockenlager im Reaktorgebäude des Kernkraftwerks Gösgen.
Quelle: KKG

In den Medien ist von Uranreichweiten von 30 Jahren bis hunderten von Jahren die Rede. Was sagen Sie als Fachmann?

Gemäss dem Red Book der OECD, das als Referenzwerk für die Uranindustrie dient und periodisch aufdatiert wird, wurden Ende 2004 rund fünf Millionen Tonnen Uran in bestehenden Minen identifiziert und weitere sieben Millionen Tonnen prognostiziert. Dies zu Gestehungskosten von USD 50 pro Pfund, die weit unter dem heutigen Preis von USD 75 pro Pfund liegen. Unter der Annahme, dass der Bedarf an Uran von heute jährlich rund 65'000 Tonnen bis ins Jahr 2030 schrittweise auf 100'000 Tonnen steigt, ergibt sich daraus eine Uranreichweite von etwa 60 beziehungsweise 145 Jahren. Als Folge des seit ein paar Jahren steigenden Uranpreises wurde inzwischen die Exploration von Uran wieder intensiviert und es ist zu erwarten, dass neue Lagerstätten entdeckt werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es nicht unbedingt im Interesse des Betreibers einer Uranmine ist, Reserven für mehrere Jahrzehnte zu explorieren. Wenn wir die Prognosen aus der Vergangenheit anschauen, hat es seit 1985 immer identifizierte Vorkommen mit einer Reichweite von 50 Jahren gegeben!

Entsteht beim Uranbergbau viel CO2?
Aus der unabhängigen ecoinvent-Datenbank der ETH ist ersichtlich, dass der Uranabbau typischerweise etwa ein halbes Gramm CO2 pro Kilowattstunde freisetzt. Das gesamte Kernenergiesystem inklusive Brennstoffherstellung produziert übrigens 6 Gramm CO2 pro Kilowattstunde - dies im Vergleich von bis zu 1000 Gramm CO2 aus einem Kohlekraftwerk oder über 100 Gramm pro gefahrenem Kilometer bei einem kleinen Auto.

Was unterscheidet Uran vom Abbau anderer Metalle wie beispielsweise Kupfer?
Es gibt eigentlich keinen Unterschied. Grundsätzlich werden beim Uranabbau konventionelle Minenverfahren angewendet wie bei anderen Rohstoffen wie Kupfer auch. Es gibt sogar Minen - zum Beispiel Olympic Dam in Australien -, wo Uran in Kupferminen als Nebenprodukt gewonnen wird. Allerdings sind in Uranminen mit einer hohen Konzentration von Uran viele Prozesse automatisiert oder fernbedient, um eine gesundheitliche Belastung der Minenarbeiter zu vermeiden.

Wie verträglich für Mensch und Umwelt sind Uranminen?
Viele Minen sind heute nach der internationalen Umweltmanagement-Norm ISO 14001 zertifiziert: Jede Mine muss einen Umweltverträglichkeitsbericht vorweisen und darin die Umweltbelastung beim Aufbau, beim Betrieb und bei der Stilllegung quantifizieren. Zudem verpflichten sich viele Minenbetreiber den Prinzipien der «Social Accountability» und nehmen ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft aktiv wahr - nicht nur während des Minenbetriebs, sondern auch nachher.

Wie viel Natururan benötigt ein Kernkraftwerk der Grösse von Leibstadt?
Leibstadt benötigt typischerweise 200 Tonnen Natururan pro Jahr. Das klingt vielleicht nach viel. Da aber Uran rund 19 Mal dichter ist als Wasser, würde die benötigte Menge Uran von rund zehn Kubikmetern in einen einzigen kleinen Lastwagen passen. Aus diesen 200 Tonnen werden ungefähr 23 Tonnen angereichertes Uran hergestellt, die schliesslich ans Kraftwerk geliefert werden. Diese Menge würde volumenmässig in den Kofferraum eines grösseren Autos passen.

Und wie viel Uran wird beim Kernkraftwerk vorsorglich gelagert?
Es werden ausschliesslich fertige Brennelemente auf dem Kraftwerksareal gelagert, typischerweise ein Jahresbedarf.

Lässt sich der Brennstoffeinsatz im Kraftwerk noch verbessern?

Die Fortschritte bei der heutigen Kraftwerksgeneration werden meiner Meinung nach eher bescheiden sein. Der heutige Kernbrennstoff hat ein ausgereiftes technisches Niveau erreicht, das nur evolutionär und nicht revolutionär verbessert werden kann. Die kontinuierlichen Verbesserungen des Brennelementverhaltens durch fortgeschrittene Materialen sowie die Entwicklung von genaueren Berechnungsmethoden geben aber noch Raum für weitere Effizienzsteigerungen.

Welche Fortschritte wurden bisher erzielt?
Bei der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Leibstadt im Jahr 1984 entsprach der Abbrand der Brennelemente zum Zeitpunkt der Entladung rund der Hälfte dessen, was heute möglich ist. Damals hat man also zweimal mehr Brennelemente eingesetzt als heute. Das ist eine Einsparung von 50%. Durch weitere Erhöhungen des Entladeabbrands kann die Anzahl der eingesetzten Brennelemente pro Jahr sicher noch weiter reduziert werden. Die Frage, ob diese Reduktion tatsächlich zu weiteren Einsparungen führt, erfordert eine sorgfältige, ganzheitliche Betrachtung des gesamten Brennstoffkreislaufs, insbesondere der Entsorgung.

Was geschieht mit dem Uran, das bei der Anreicherung zurückbleibt?
Diese sogenannten Tails enthalten eine Restmenge von etwa 0,25% Uran-235 und sind für den Einsatz in Leichtwasserreaktoren - wie wir sie heute in der Schweiz betreiben - nicht geeignet. Sie werden vorläufig bei den Anreicherungsanlagen gelagert. Tails sind aber kein Abfall, sondern potenzieller Kernbrennstoff für zukünftige Schnelle Brüter, in denen sie zur Energieproduktion verwendet werden können. Ich schätze, dass allein mit den heute gelagerten Tails bei Einsatz der Brütertechnologie die heutige weltweite Atomstromproduktion während 5000 Jahren aufrecht gehalten werden könnte. In Zukunft kann es übrigens sein, dass durch derzeit erforschte, neuartige Anreicherungsverfahren wie Laser Enrichment praktisch kein Uran-235 in den Tails mehr zurückbleibt. Dies würde eine massive Schonung der Ressourcen bedeuten.

Das Gespräch führte Max Rudolph

Tony Williams ist Leiter Kernbrennstoffe bei der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK) und unter anderem zuständig für den Einkauf von Kernbrennstoff für die Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt.


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