Zwischenlager Würenlingen eingeweiht

Rund 120 Gäste nahmen am 27. April 2000 an der festlichen Einweihung des Zwischenlagers Würenlingen (Zwilag) im Kanton Aargau teil.

26. Apr. 2000

Das imposante Bauwerk ist als Brücke zwischen Atomstromproduktion und Endlagerung radioaktiver Abfälle ein Meilenstein für die Schweizer Kernenergie. In seiner Begrüssungsansprache wies Kurt Küffer, Verwaltungsratspräsident der Zwilag Zwischenlager Würenlingen AG, darauf hin, dass das Zwischenlager das Gesamtproblem der radioaktiven Abfälle nicht allein lösen könne, aber Luft schaffe: Sich abzeichnende Lager-Engpässe bei den einzelnen Kernkraftwerken würden beseitigt, womit deren Weiterbetrieb lagertechnisch nicht mehr in Frage gestellt werden könne. Die Pilotbehandlungsstation im Paul Scherrer Institut, die während vielen Jahren gute Dienste geleistet hat, könne durch eine Hightech-Anlage abgelöst werden, welche die Abfallbehandlung wesentlich verbessere. Zudem werde Zeit gewonnen, um einen gangbaren Weg für die ins Stocken geratene Verwirklichung der Endlagerung zu öffnen, und schliesslich könne die Auseinandersetzung über das Pro und Kontra der Wiederaufarbeitung und der direkten Endlagerung bestrahlter Brennelemente in Ruhe ausgetragen werden.
Die letzte noch ausstehende Betriebsbewilligung liegt seit März vor, "aber die Sicherheitsbehörde hält uns noch an der kurzen Leine", meinte Kurt Küffer. Denn die Einrichtungen dürfen nur Schritt für Schritt in Betrieb genommen werden, unter den strengen Auflagen der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK). Er erinnerte daran, dass bei der Kernenergie anders als bei vielen andern Technologien die Abfälle grundsätzlich nicht durch Verdünnung in die Luft oder die Gewässer entsorgt werden. In der Kerntechnik würden die radioaktiven Abfälle eingesammelt, aufkonzentriert und für die Dauer ihrer Schädlichkeit vom menschlichen Lebensraum durch Einschluss ferngehalten. Die dauerhafte Isolation von Abfällen von der Biosphäre habe ihren Preis, der im hohen wissenschaftlichen und technischen Aufwand begründet sei. Im Fall der radioaktiven Abfälle könne dieser Preis in Kauf genommen werden, da die Abfallmenge gering ist: In der Schweiz fallen pro Jahr etwa 12 m3 hochradioaktiver Abfall und weniger als 500 m3 schwach- und mittelradioaktiver Abfall an. Die Kosten für die Zwischenlagerung werden vollumfänglich durch die getätigten Rückstellungen der Kernkraftwerke gedeckt. Bis heute sind in der Schweiz 500 Milliarden Kilowattstunden Atomstrom erzeugt worden. Bei Gesamtkosten von 500 Millionen - beschäftigungswirksamen - Franken für die Erstellung der Anlagen des Zwischenlagers ist somit jede bis heute produzierte Kilowattstunde mit einem Rückstellungsanteil von einem Zehntelrappen belastet worden. Die Anlagen des Zwilag sind bei ihrer Inbetriebnahme bereits bezahlt.
Nach Grussbotschaften von Arthur Schneider, Gemeindeamman von Würenlingen, Kurt Wernli, Aargauer Regierungsrat und Werner Bühlmann vom Bundesamt für Energie segnete der frühere Kernfachmann und heutige Pfarrer Hans Zünd das Zwischenlager. Der prominente Abwesende bei den Feierlichkeiten war der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Bundesrat Moritz Leuenberger. Als sein Stellvertreter rief Bühlmann nochmals die wichtigsten Schritte des Bewilligungsverfahrens in Erinnerung: Am 27. Juli 1990 stimmte der Bundesrat der Realisierung des Projekts auf dem Gelände des Paul Scherrer Instituts grundsätzlich zu. Am 23. Juni 1993 erteilte er die Rahmenbewilligung, die am 6. Oktober 1994 vom Parlament gutgeheissen wurde. Am 21. August 1996 erteilte der Bundesrat die nukleare Bau- und Betriebsbewilligung und am 6. März 2000 die Betriebsbewilligung für die Abfallbehandlungsanlagen. Das Zwilag gibt gemäss Bühlmann den Kernkraftwerksbetreibern unter anderem die Möglichkeit, bestrahlte Brennelemente zwischenzulagern und auf die Wiederaufarbeitung zu verzichten. Dies entspreche genau der Forderung gewisser Kernenergiegegnerorganisationen, und er sei gespannt, wie sich diese bei den ersten Transporten abgebrannter Brennelemente nach Würenlingen verhalten werden. Die Organisationen müssten nun Farbe bekennen: Entweder seien sie konsequent und begrüssten die Transporte, oder sie protestierten dagegen, weil sie grundsätzlich gegen alles protestierten, was nicht direkt zum Ausstieg führe.
Hans Rudolf Lutz, der Geschäftsführer des Zwilag, blickte in seinem Referat auf die Planungs- und Bauphase zurück. Das Zwilag ist die erste Nuklearanlage der Schweiz, bei der das Bewilligungsverfahren nach dem revidierten Atomgesetz (Bundesbeschluss zum Atomgesetz vom 6. Oktober 1978) abgewickelt wurde. Es sei deshalb nicht verwunderlich, dass die Gesamtdauer dieses Verfahrens statt der ursprünglich eingeplanten vier Jahre insgesamt sechs Jahre betrug (1990-1996). Die Verzögerungen im Bewilligungsverfahren hätten aber auch Gelegenheit zum vertieften Durchdenken der Bau- und späteren Betriebsphase gegeben. Änderungen aufgrund von Einsprachen und Auflagen hätten noch vor dem Baubeginn eingeplant werden können. Als Beispiel nannte Lutz die Decke des Lagers für mittelradioaktive Abfälle, welche jetzt auch einem Flugzeugabsturz standhält, was anfänglich nicht geplant war.
Vor der Erteilung der nuklearen Bau- und Betriebsbewilligung durch den Bundesrat am 21. August 1996 seien alle notwendigen Baustellenvorarbeiten soweit vorangetrieben worden, dass bereits fünf Tage später die Bagger auffahren konnten. Das Gebäude für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle wurde zu Beginn der Bauphase zurückgestellt, da zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnungen für eine frühe Realisierung eines Endlagers im Wellenberg bestanden haben. Im Dezember 1999 beschloss der Zwilag-Verwaltungsrat, auch dieses Gebäude - wofür alle Bewilligungen vorliegen - bis zum Jahr 2004 zu erstellen.
Der ursprüngliche Terminplan für die Bau- und Montagearbeiten wurde gemäss Lutz für die Zwischenlagergebäude, die Heisse Zelle, das Nebengebäude, die Umladestation sowie für das Projekt Umgebung und Sicherung eingehalten. Im Falle der Konditionierungsanlage habe sich eine sechs- und bei der Verbrennungsanlage eine gut zehnmonatige Verzögerung ergeben. Diese seien aber wegen der verlängerten Bewilligungsphase weitgehend aufgefangen worden, so dass die Anlagen im richtigen Moment übernommen werden konnten. Lutz wies darauf hin, dass das Projekt unter dem Kostenvoranschlag abschliesst. Dies sei einerseits auf die günstige Baukonjunktur, andererseits aber auch auf die straffe Kontrolle auf allen Ebenen zurückzuführen.
Zwilag-Betriebsleiter Jean-Pierre Wenger erläuterte den Gästen Zweck und Funktionsweise der verschiedenen Anlagen. Mit dem Projekt werden an zentraler Stelle Bauten für die Zwischenlagerung aller Kategorien radioaktiver Abfälle einschliesslich abgebrannter Brennelemente bereitgestellt. Die Lagerbauten werden ergänzt durch eine Konditionierungsanlage und eine Verbrennungs- und Schmelzanlage für schwachradioaktive Abfälle aus den Kernkraftwerken und aus Medizin, Industrie und Forschung.
Die Konditionierungsanlage dient der Verarbeitung von radioaktiven Abfällen in eine endlagerfähige Form. Für diesen Zweck sind verschiedene Einrichtungen da: Eine Sortierbox zur Trennung von brennbaren und nicht brennbaren Abfällen, eine grosse Zelle zur Zerlegung und Dekontamination von grösseren Stücken, eine Verdampferanlage sowie eine Zentrifuge und Filter zur Reinigung radioaktiver Flüssigkeiten und schliesslich eine Zementierungsanlage zum Einschluss von festen Abfällen in eine Zementmatrix oder zur Verfestigung flüssiger Abfälle. Die Verbrennungs- und Schmelzanlage verfügt über einen Plasmaofen, in dem brennbare und schmelzbare Abfälle bei Temperaturen bis 20'000°C zersetzt oder geschmolzen werden. Der Prozess wird durch das Abgiessen des flüssigen Materials in eine Kokille abgeschlossen. Zur Zwischenlagerung wird die Kokille in ein Fass eingesetzt.
Der Lagerkomplex dient der Zwischenlagerung von endlagerfähigen Abfällen aller Kategorien sowie von bestrahlten Brennelementen aus den Kernkraftwerken und konditionierten Abfällen aus den Wiederaufarbeitungsanlagen. Im Empfangsteil werden die Transportcontainer abgeladen und kontrolliert. In der Lagerhalle für bestrahlte Brennelemente und verglaste hochradioaktive Abfälle werden diese in speziellen, zum Transport und zur Lagerung zugelassenen Behältern zwischengelagert. Die Lagerhalle ist für die Aufnahme von 200 Behältern ausgelegt. Im Lager für mittelradioaktive Abfälle werden die Gebinde in sechs mit massiven Abschirmriegeln verschlossenen Schächten mit speziellen Lagercontainern aufbewahrt. Es hat eine Gesamtkapazität von ca. 27'000 Fässern à 200 Liter. Die Heisse Zelle dient dem Umladen von Brennelementen von einem Transportbehälter in einen Lagerbehälter grösserer Kapazität. Die Inspektion von Brennelementen und Glaskokillen, Wartungsarbeiten an Behältern und die Konditionierung von Reaktorkomponenten wie Steuerstäben oder Brennelementkästen aus Siedewasserreaktoren sind ebenfalls möglich. Das Nebengebäude beherbergt Räume für das Personal, das Sanitätszimmer, die Anspeisung mit Strom und Wasser, die Wärmeübergabe aus dem Refuna-Netz sowie Werkstätten, Lager und die Garage.
Häufig wiederkehrende Operationen sind gemäss Wenger nach Möglichkeit automatisiert oder erfolgen mittels Fernbedienung. Wo dies nicht möglich ist, sind die Mitarbeiter durch entsprechende Vorrichtungen vor Strahlung geschützt. Alle Mitarbeiter seien über das Verhalten bei Arbeiten mit möglicher Strahlenbelastung ausgebildet. Viele seien bereits frühzeitig eingestellt worden, hätten während der Montage und Inbetriebnahme der Anlagen mitgewirkt und bei Arbeiten oder Praktika im PSI oder in einem Kernkraftwerk Erfahrung sammeln können. Besuche in ausländischen Anlagen mit ähnlichen Aufgabenstellungen hätten die Ausbildung abgerundet. Wenger zeigte sich zuversichtlich, dass die Betriebsmannschaft mit diesen Massnahmen für die kommenden Aufgaben gerüstet ist.

Quelle

M.S.

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