Bulgarien und Tschechien wollen russisches Uran durch Westinghouse-Kernbrennstoff ersetzen

Bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine sind von Kernkraftwerksbetreibern Massnahmen ergriffen worden, um Lieferquellen für Uranbrennstoff zu diversifizieren. Die Notwendigkeit, möglichst unabhängig zu sein und Lieferengpässe zu vermeiden, ging die Europäische Union 2014 mit der Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung an. Mit der Ukraine, Bulgarien und auch Tschechien setzen bereits Länder in Osteuropa auf Westinghouse als zusätzlichen Kernbrennstofflieferanten für ihre WWER-Einheiten russischer Bauart.

1. Apr. 2022
Das bulgarische Kernkraftwerk Koslsduj
Bulgarien will in Block 5 des Kernkraftwerks Kosloduj Kernbrennstoff von Westinghouse für den russischen WWER-1000-Reaktor einsetzen.
Quelle: Kozloduy Nuclear Power Plant plc

Die EU stellte 2014 ihre «Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung» vor. Unter anderem mit einer Diversifizierung von ausländischen Energielieferungen sollen Abhängigkeiten und Versorgungsengpässe verhindert werden. Im Kernenergiebereich gibt die Strategie Investitionsbedingungen vor: Jedes in der EU gebaute Kernkraftwerk mit einem Reaktor, der nicht EU-Technologie verwendet, muss sich bei der Brennstoffversorgung diversifizieren und somit Kernbrennstoff aus mehr als einer Quelle beziehen können. Die in Osteuropa vielfach verwendeten Kraftwerke russischer Bauart, wie beispielsweise die WWER-1000-Reaktoren, sollen nicht ausschliesslich von russischem Uran abhängig sein.

Bulgarischer Energieminister will weg von russischem Uran
Im bulgarischen Kernkraftwerk Kosloduj sind zwei russische Druckwasserreaktoreinheiten vom Typ WWER-1000 in Betrieb, dies im Block 5 und 6. Derzeit stammt der Kernbrennstoff noch von der russischen Brennstoffherstellerin Tvel JSC, die einen laufenden Vertrag bis 2025 hat.

Am 4. Februar 2021 haben Kozloduy Nuclear Power Plant plc, die Betreiberin des Kernkraftwerks Kosloduj, und die Westinghouse Electric Company einen Vertrag über den Einsatz von Westinghouse-Kernbrennstoff in Kosloduj unterzeichnet. Der Block 5 soll damit ausgestattet werden, wozu es Sicherheitsanalysen braucht und ein behördliches Zulassungsverfahren notwendig ist, bei dem Westinghouse die Kernkraftwerksbetreiberin unterstützt. Dieses Verfahren läuft noch.

Bulgarien möchte in der Lage sein, den Westinghouse-Brennstoff bis Mitte 2024 in Block 5 einzusetzen. Für ihn stelle sich nicht mehr die Frage, ob man überhaupt einen alternativen Brennstofflieferanten brauche, liess der bulgarische Energieminister Alexander Nikolov in einem Fernsehinterview von Free Europe Bulgaria am 15. März 2022 verlauten. Es gehe nun um das «wie». Nikolov zufolge ist das bulgarische Energiesystem, einschliesslich der Kernkraft, «sehr stark» von Russland abhängig. Um das Kernbrennstoffthema zu erörtern, sei eine bulgarische Energiehandelsdelegation im Februar 2022 in die USA gereist und habe dort den Westinghouse-Standort in Pennsylvania besucht.

Ukraine verwendet seit Jahren Westinghouse-Brennstoff
Die Ukraine setzte schon im Jahr 2005 testweise Westinghouse-Brennstoff in ihrem Kernkraftwerk in der Südukraine ein. Nach der Annektierung der Halbinsel Krim durch Russland 2014 wurde die Zusammenarbeit mit Westinghouse intensiviert, sodass 2021 sechs von 15 ukrainischen Kernkraftwerksblöcken mit Westinghouse-Brennstoff aus Schweden versorgt werden: Blöcke 2 und 3 des Kernkraftwerks Süd-Ukraine und vier Blöcke des Kernkraftwerks Saporoschje. Auch die Tschechische Republik will Westinghouse-Brennstoff im Kernkraftwerk Temelín einsetzen. Neben Brennelementen der russischen Brennstoffherstellerin Tvel JSC wurden beim jährlichen Brennstoffwechsel 2019 testweise auch Brennelemente von Westinghouse Electric Sweden eingesetzt. Nach Abschluss der erfolgreichen Tests läuft derzeit in Tschechien das Zulassungsverfahren für die Westinghouse-Brennelemente. Der Liefervertrag mit Tvel gilt noch bis 2023. Finnland setzte im Kernkraftwerk Loviisa neben Brennstoff von Tvel JSC in den Jahren 2001 bis 2007 WWER-440-Brennstoff von Westinghouse ein.

Quelle

B.G. nach World Nuclear Association, Website «Nuclear Power in Ukraine», März 2022; NucNet, 16. März 2022; Free Europe Bulgaria, YouTube-Video, 15. März 2022; Westinghouse, Medienmitteilung, 4. Februar 2021 und ČEZ, Medienmitteilung, 4. April 2019

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