Frankreich: Kosten der Kernenergienutzung veröffentlicht

Der französische Cour des Comptes (Rechnungshof) hat umfassend die unterschiedlichen Kosten der Kernenergie auf nationaler Ebene seit den 1950er-Jahren ermittelt und die Kostenfolgen anstehender strategischer Entscheide abgeschätzt.

13. Feb. 2012

Premierminister Francois Fillon hatte im Mai 2011 den Bericht in Auftrag gestellt. Der Cour des Comptes stellt darin fest, dass 22 der 58 französischen Kernkraftwerkseinheiten bis 2022 eine Laufzeit von 40 Jahren erreichen haben werden. In Anbetracht dessen müssten – wenn von einer Laufzeit von 40 Jahren ausgegangen wird und der Atomstromanteil gleich bleiben soll – beträchtliche Neubauinvestitionen in der Grössenordnung von elf EPR bis 2022 erfolgen, so der Cour des Comptes. Die Umsetzung eines solch kurzfristigen Investitionsprogramms sei sehr unwahrscheinlich wenn nicht unmöglich – auch im Hinblick auf fehlende industrielle Kapazitäten –, folgert er. Das Fehlen eines Investitionsentscheids bedeute, dass Frankreich nur noch zwei Möglichkeiten habe: entweder die Laufzeiten der Kernkraftwerke über 40 Jahre hinaus zu verlängern oder massive Investitionen in andere Energieträger zu tätigen.

Welcher Entscheid auch immer getroffen werde, es sei mit kurz- und mittelfristig bedeutenden Investitionen zu rechnen, die mindestens eine Verdoppelung der heutigen jährlichen Nachrüstinvestitionen betragen, so der Cour des Comptes. Diese Verdoppelung werde die mittleren Erzeugungskosten um rund 10% erhöhen.

Laufzeitverlängerung als strategischer Faktor

Der Cour des Comptes weist aber auch darauf hin, dass die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke einen wichtigen Faktor in der Energiepolitik darstelle. So habe sie einen bedeutenden Einfluss auf die Kostenstruktur des Kernkraftwerksparks, da sie erlaube, Investitionen über eine grössere Anzahl Jahre zu amortisieren. Zudem verschiebe sie die Stilllegungskosten und die Investitionen in neue Erzeugungsinstallationen nach hinten.

Der Cour des Comptes empfiehlt, dass Frankreichs Regierung «explizit» eine Energiestrategie in voller Transparenz ausarbeitet, diskutiert und verabschiedet. Zukünftige Investitionen sollten nicht «implizit» erfolgen.

Zusammenfassende Kostenaufstellung

Laut dem 400-seitigen-Bericht des Cour des Comptes, der am 31. Januar 2012 veröffentlicht wurde, hat Frankreich bisher Investitionen von EUR 188 Mrd. (CHF 227 Mrd.) – auf den Geldwert von 2010 bezogen – in den französischen Nuklearpark getätigt. Sie setzen sich zusammen aus

  • EUR 96 Mrd. (CHF 116 Mrd.) für den eigentlichen Bau der heute in Betrieb stehenden 58 Kernkraftwerkseinheiten der zweiten Generation mit einer installierten Gesamtleistung von 62'510 MW
  • EUR 6 Mrd. (CHF 7 Mrd.) Anfangsinvestitionen für die Entwicklung der acht Einheiten der ersten Generation, die sich im Rückbau befinden
  • EUR 19 Mrd. (CHF 23 Mrd.), welche die damalige Groupe Cogema (heute Areva) in den Brennstoffzyklus investiert hat
  • EUR 55 Mrd. (CHF 67 Mrd.) privater und staatlicher Investitionen in die Forschung
  • EUR 12 Mrd. (CHF 15 Mrd.) für das Projekt Superphénix (ohne Rückbau)

Gemäss Cour des Comptes sind die Betriebskosten des Nuklearparks leicht zu ermitteln: 2010 wendeten die Betreiber bei einer Erzeugung von 407,9 Mrd. kWh EUR 8,9 Mrd. (CHF 10,8 Mrd.) und der öffentliche Sektor für Forschung, Entwicklung und Überwachung zusätzlich EUR 870 Mio. (CHF 1,053 Mrd.) auf. Die Nachrüstinvestitionen betrugen 2010 EUR 1,7 Mrd. (CHF 2,1 Mrd.) und werden für 2011–2025 einschliesslich der nach Fukushima-Daiichi geforderten Zusatzforderungen auf EUR 4 Mrd. (CHF 4,8 Mrd.) jährlich geschätzt. Damit dürften die Erzeugungskosten von EUR-Cent 4,95/kWh (5,98 Rp./kWh) 2010 rund 10% ansteigen.

Die Rückbaukosten der 58 Reaktoreinheiten schätzt der Cour des Comptes auf EUR 18,4 Mrd. (CHF 22,3 Mrd.) und die langfristigen Kosten für das Abfallmanagement auf EUR 28,4 Mrd. (CHF 34,4 Mrd.). Dieser Beitrag sei mit grosser Unsicherheit behaftet, weil das Bauprojekt eines Tiefenlagers noch nicht festgeschrieben sei.

Quelle

M.A. nach Cour des Comptes, Medienmitteilung, 31. Januar 2012

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