Preiszerfall und einseitige Steuern belasten British Energy

Die britische Regierung hat dem Elektrizitätsunternehmen British Energy (BE) ein kurzfristiges Darlehen von bis zu GBP 410 Mio. gewährt und damit auf die Befürchtung eines unmittelbar bevorstehenden Konkurses reagiert.

30. Sep. 2002

Mit Hilfe des Darlehens sollen auch längerfristige Restrukturierungen in die Wege geleitet werden. Die 1996 privatisierte BE erzeugt über einen Fünftel des britischen Stroms und ist eine der grössten Kernkraftwerksbetreiberinnen der Welt. Sie besitzt sieben Zwillingsblöcke vom Typ AGR (fortgeschrittener gasgekühlter Reaktor) sowie einen Druckwasserreaktorblock. In den USA hält BE über das Joint Venture AmerGen Beteiligungen an drei weiteren Kernkraftwerksblöcken, und in Kanada betreibt sie im Rahmen eines Leasingvertrags über ihre Tochtergesellschaft Bruce Power das Kernkraftwerk Bruce mit zur Zeit vier operativen Blöcken. Zum BE-Portefeuille gehört seit März 2000 auch ein grosses britisches Kohlekraftwerk.
Wie konnte es dazu kommen, dass ein - in Übersee sehr erfolgreiches und mehrfach ausgezeichnetes - Elektrizitätsunternehmen um staatliche Unterstützung bittet? Nach einem Hintergrundartikel der Kernenergie-Nachrichtenagentur NucNet führte die Kombination von sinkenden Strompreisen, einseitiger Steuerbelastung und nachteiligen Verträgen für die nukleare Entsorgung in die gegenwärtige Krise.
Sinkende Strompreise: Die Grosshandelspreise für Strom sind in den vergangenen zwei Jahren wegen Überkapazitäten und der Einführung der "New Electricity Trading Arrangements" unter Druck geraten. Der BE seien dadurch Einnahmen von über GBP 200 Mio. entgangen. Gleichwohl leiden alle Produzenten unter dem Preiszerfall. Mindestens ein Kohlestromerzeuger musste aus finanziellen Gründen die Tore schliessen. Die BE ihrerseits musste auf dem Kohlekraftwerk Eggborough Abschreibungen in der Höhe GBP 300 Mio. vornehmen. Für die BE kommt erschwerend hinzu, dass sie mit ihrem Kraftwerkspark wenig flexibel auf fallende Stromgrosshandelspreise reagieren kann. Zudem fehlt ihr ein starkes Standbein im Bereich Handel und Verteilung: Im Gegensatz zu ihren Hauptkonkurrenten kann sie entgangene Produktionserträge nicht durch höhere Margen beim Stromverkauf an die Endkonsumenten kompensieren.
Steuern: Paradoxerweise wird auf die CO2-freie Kernenergie seit letztem Jahr eine Klimasteuer von umgerechnet rund 1 Rp./kWh erhoben, die Produzent und Konsumenten gemeinsam zu tragen haben. Die BE verlangt, dass der Atomstrom wie die Solar- und Windenergie von dieser Steuer ausgenommen wird. Das Unternehmen und die Konsumenten würden dadurch um jährlich GBP 270 Mio. entlastet; die Einsparungen der BE allein dürften GBP 80-100 Mio. betragen. Zudem müssen Kernkraftwerke um 50% höhere Grundstücksteuern bezahlen als Kohle- und Gaskraftwerke. Im Vergleich zu Windkraftwerken ist die Steuer gar dreimal so hoch. Diese Ungleichbehandlung koste die BE jährlich GBP 20 Mio.
Nukleare Entsorgung: Die Behandlung des abgebrannten Kernbrennstoffs liegt in den Händen der staatlichen BNFL. Die BE drängt auf neue Verträge, die die Marktrealität widerspiegeln sollen. Der British-Energy-Vorsitzende Robin Jeffrey thematisierte vergangenen November bei der Präsentation von Zwischenresultaten die seiner Ansicht nach zu teure Wiederaufarbeitung, von der letztlich - wie bei den Steuern - der Staat profitiert.
Alle diese Finanzaufwendungen zusammen stellen für die Kernkraftwerksbetreiberin im ohnehin schwierigen britischen Strommarkt eine erhebliche Belastung dar. Die technischen Probleme im schottischen Kernkraftwerk Torness dürften die BE ganz in Schieflage gebracht haben: Wegen monatelangen Produktionsausfällen mussten die Prognosen für die einheimische Atomstromproduktion nach unten korrigiert werden - statt der erwarteten 67,5 Mrd. kWh werden die Kernkraftwerke der BE im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich nur 63 Mrd. kWh liefern.

Quelle

M.S.

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