Uran: Angebot und Nachfrage – Parallelen zum Gold unverkennbar
Die Preiskorrektur des Uranoxids neigt sich dem Ende entgegen. Mittel- und langfristig sind erheblich höhere Notierungen zu erwarten. Parallelen zum Gold sind augenfällig.
In der ersten Hälfte der abgelaufenen Dekade war von einem Rohstoffboom wenig zu spüren. Die rezessive Entwicklung der Industrie drückte auf die Edelmetall-Notierungen. Auch der Uranpreis lag in den Jahren 2000 bis 2002 auf einem historisch tiefen Niveau. Der Preis für ein Pfund Uranoxid (0,453 kg) kostete im Jahresschnitt rund USD 10, wobei der Preis bis auf USD 7 fiel. Danach begann eine exponentielle Aufwärtsbewegung, die bis ins Jahr 2007 anhielt. Damals kostete ein Pfund Uranoxid im Jahresschnitt gegen USD 100 – mit Spitzen bei USD 137. Es folgte eine scharfe Korrektur. Im Frühjahr 2009 sanken die Spotpreise bis auf USD 35, um sich anschliessend erneut zu erholen.
Die Trends an den Futures-Märkten
Der Trend des Uran-Spotmarktes, an dem die Nachfrage nach unmittelbar benötigtem Kernbrennstoff auf das bestehende Angebot trifft, korreliert mit jenem anderer Energieressourcen wie Öl oder Gas, wobei die Preisentwicklung des Urans volatiler verläuft. Das lässt sich damit erklären, dass nur 15% des Rohstoffes an den Spotmärkten gehandelt wird. Der übrige Teil wird über langfristige Verträge abgewickelt. Während ein Pfund Uran derzeit an den Spotmärkten rund USD 46 kostet, betragen die Preise für langfristige Lieferverträge an den Futures-Märkten rund USD 61. Diese Futures-Märkte nehmen somit eine erhebliche Aufwertung des so genannten «gelben Kuchens» vorweg.
Derzeit spielen die sekundären Uranquellen – unter anderem aus militärischen Beständen und Wiederaufarbeitung – eine nach wie vor bedeutende Rolle. Rund ein Drittel des Bedarfes wird aus diesen Quellen gedeckt (Zahlen 2008). Eine garantierte Liefermenge aus diesen Quellen gibt es selbstverständlich nicht. Allerdings haben die Lieferanten ein Interesse, den Preis nicht durch ein Überangebot zu drücken.
Parallelen zum Gold-Markt
In dieser Hinsicht gibt es überraschende Parallelen zum Gold-Markt. Auch da gab es in der Vergangenheit ein spezielles, sekundäres Angebot, das nicht aus den Goldminen stammte: Bedeutende Notenbanken westlicher Industrienationen – darunter die Schweiz – stiessen in einer koordinierten Aktion riesige Goldbestände ab – wie wir heute wissen zu einem sehr tiefen Preis. In den Jahren 2000 und 2001 wurde für eine Feinunze Gold weniger als USD 200 bezahlt. Heute ist die Feinunze mehr als das Fünffache wert. Das Angebot der Notenbanken hatte Ende der 1990er-Jahre und in der ersten Hälfte des neuen Jahrhunderts den Goldpreis in Schach gehalten. Ähnliches geschah mit dem Uranoxid. Dem Ende des kalten Krieges folgte die Abrüstung und Verschrottung veralteter Kernwaffen.
Was aber, wenn die Nachfrage nach Uran aufgrund des steigenden Bedarfes von China und Indien zunimmt und die Lager aus militärischen Beständen mehr und mehr schwinden? Diverse Analysten sehen hier eine Achillesferse: Die Uranminen könnten dann nämlich ihr Angebot nicht entsprechend erhöhen, was zu steigenden Preisen führen würde. Das kurzfristig unelastische Angebot hätte eigentlich eine Preisexplosion zur Folge. Aber nur theoretisch: Denn zum einen legen jene Länder, die künftig massiv mehr Uran benötigen, bereits heute eigene Lager an. Zum anderen dürften sporadische Extra-Lieferungen aus Militärbeständen stattfinden.
Im Jahr 2023 doppelt so hohe Produktionskosten
Die Analysten der World Nuclear Association (WNA) gehen von absolut wie prozentual stetig kleiner werdenden Angebotsmengen aus sekundären Quellen aus. Bereits im Jahr 2015 können eventuell die Minen die zusätzliche Nachfrage nicht mehr decken, wenn der Bedarf über dem WNA-Referenzszenario zu liegen kommt. Sollte das Referenzszenario zutreffen, so können die Uranminen den steigenden Bedarf dank neuer Abbaugebiete gerade noch decken. Die Produktionskosten einer Mine betragen heute rund USD 27 pro Pfund. Eine Verdoppelung der Weltproduktion würde die Kosten aber auf rund USD 60 erhöhen. Gemäss WNA könnte die Verdoppelung der Weltproduktion bereits im Jahr 2023 – spätestens jedoch 2030 – Realität werden, wobei selbst dann je nach Szenario beträchtliche Angebotslücken bestehen würden.
Noch schwieriger als die Erstellung dieser Prognosen ist es, die Einflüsse der spekulativen Finanzinvestoren abzuschätzen. Das lehrt uns jedenfalls die jüngste Vergangenheit: So waren Hedge-Fonds im Jahr 2007 dafür mitverantwortlich, dass es zu Übertreibungen an den Märkten kam. Da einige Fonds anschliessend aufgrund der für sie überraschenden Trendwende kapitulierten, kam wieder mehr Uranoxid auf den Markt.
«Kernenergie wird eine grössere Rolle spielen»
«Eine Lücke von fast 12'000 TWh muss bis ins Jahr 2030 geschlossen werden», erklärte Ian Parkinson, Analyst der Canadian Imperial Bank of Commerce (CIBC), gegenüber Reuters. Der Bedarf nach Elektrizität werde innert zwanzig Jahren um zwei Drittel steigen. Parkinson: «Die Kernenergie wird bei diesem Wachstum eine grössere Rolle spielen.» Ähnlich tönt es bei den Analysten von RCR Resource Capital Research (Australien) mit dem Verweis auf 53 im Bau befindliche Kernkraftwerke sowie rund 440 geplante und angekündigte Projekte, wobei sich diese Zahl innert Jahresfrist um 20% erhöht hat. «Dieser Trend gibt dem Uranpreis eine Stütze», schreibt RCR. Australien gehört im Übrigen zusammen mit Kanada und Kasachstan zu den drei wichtigsten Uran-Förderländer; gefolgt – mit beträchtlichem Abstand – von der Ländergruppe Russland, Namibia und Nigeria. Rio Tinto ist der weltgrösste Uran-Förderer, gefolgt von Cameco und Areva.
Fazit
Kurzfristig tendieren die Preise am Uran-Spotmarkt seitwärts. Ein starker Rückfall der Preise ist aufgrund des Lageraufbaus sehr unwahrscheinlich. Mittel- und langfristig weisen die Indikatoren auf erheblich höhere Notierungen hin. Aufgrund der Kostenstruktur der Kernkraftwerke sollte dieser Trend ihre Effizienz nicht beeinträchtigen. Das haben die Erfahrungen im Rekordpreisjahr 2007 gezeigt.
Quelle
Hans-Peter Arnold