IAEO zieht erste Schlüsse aus Starkbeben in Japan

Das Erdbeben vom 16. Juli 2007 vor der Westküste Japans hat im Kernkraftwerk Kashiwazaki-Kariwa zwar Schäden verursacht, doch blieb die Sicherheit der dortigen sieben Reaktoreinheiten jederzeit gewährleistet. Ein vor Ort gerufenes Expertenteam der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) hat inzwischen entsprechende Angaben der japanischen Behörden bestätigt und erste Schlüsse gezogen.

22. Aug. 2007
Mitarbeitende im Notfallschutzraum von Kashiwazaki-Kariwa: Sie versuchen, das Ausmass der Erdbebenschäden zu erfassen und stellen einen Katalog mit Sofortmassnahmen zusammen.
Mitarbeitende im Notfallschutzraum von Kashiwazaki-Kariwa: Sie versuchen, das Ausmass der Erdbebenschäden zu erfassen und stellen einen Katalog mit Sofortmassnahmen zusammen.
Quelle: Japan Nuclear Technology Institute

Gemäss des am 17. August 2007 von der IAEO publizierten Berichts «Preliminary Findings and Lessons from the 16 July 2007 Earthquake at Kashiwazaki-Kariwa NPP» dürften die vom Erdbeben verursachten Schäden in den Kraftwerksanlagen geringer sein, als angesichts der Heftigkeit der Erschütterungen von den Fachleuten erwartet worden war. Nach einem viertägigen ersten Augenschein hielt die Expertengruppe der IAEO fest, dass die automatische Schnellabschaltung der in Betrieb stehenden Blöcke 3, 4 und 7 sowie des eben im Anfahren befindlichen Blocks 2 auslegungsgemäss funktionierten. Dies obschon die vor Ort gemessenen Beschleunigungen die Auslegungswerte der Anlagen teils deutlich überschritten hatten.

Hohe Schadenresistenz dank Sicherheitsmargen

Anders als in den konventionellen Teilen dieses weltweit grössten Kernkraftwerks seien in den nuklearen Teilen kaum Schäden sichtbar, schreiben die IAEO-Experten. Sie vermuten, dass diese hohe Erdbebenresistenz auf die Sicherheitszuschläge bei der Planung und dem Bau der Anlagen zurückzuführen sein dürfte. Ganz offensichtlich habe das konservative Vorgehen ausgereicht, um die Unsicherheiten bei den zum Bauzeitpunkt verfügbaren Daten und Methoden zu kompensieren. Die Zusammenhänge müssten aber noch besser verstanden werden.

Am Standort Kashiwazaki-Kariwa befinden sich sieben Kraftwerksblöcke mit einer elektrischen Leistung von insgesamt 7965 MW. Bei fünf der Blöcke handelt es sich um Siedewasserreaktoren mit je 1067 MW, die in den Jahren 1985 bis 1993 ans Netz gegangen waren. Die beiden übrigen Blöcke sind fortgeschrittene Siedewasserreaktoren der dritten Generation mit je 1315 MW, die in den Jahren 1996 und 1997 den Betrieb aufgenommen hatten.

Äusserst geringe Freisetzungen

Laut Bericht blieben während und nach dem Erdbeben die drei grundlegenden Sicherheitsfunktionen - Beherrschung der Reaktivität, Kühlung der Reaktorkerne und Einschluss der radioaktiven Stoffe - voll gewährleistet. Die Abgaben an die Umwelt waren extrem gering und lagen weit unterhalb der zulässigen Grenzwerte für den Normalbetrieb.

Die internationalen Experten halten dazu fest, dass die Leckagen nicht rasch genug den Behörden gemeldet worden seien. Erdbebenresistente Kommunikationsmittel seien von grösster Wichtigkeit, um allfällige Freisetzungen sofort melden zu können - auch wenn diese nicht relevant seien.

Suche nach verborgenen Schäden

Die IAEO weist darauf hin, dass die detaillierte Überprüfung aller sicherheitsrelevanten Systeme und Komponenten sowie die Suche nach allfälligen verborgenen Schäden noch längst nicht abgeschlossen sind. So sind die Komponenten und Brennelemente in den Reaktordruckbehältern noch nicht untersucht worden. Die Betreibergesellschaft Tokyo Electric Power Co. (Tepco) geht davon aus, dass die Überprüfung aller Systeme, die Instandstellung und die Umsetzung allfälliger Nachrüstungen aufgrund einer seismischen Neubeurteilung des Standorts viele Monate dauern dürfte.

Erweiterte seismische Überprüfung

Im September 2006 hatte die japanische Nuclear Safety Commission neue Richtlinien zur Erdbebensicherheit veröffentlicht. In Übereinstimmung mit den japanischen Behörden schlagen die IAEO-Experten jetzt vor, die daher ohnehin laufende seismische Überprüfung des Standorts Kashiwazaki-Kariwa um die Erfahrungen aus dem jüngsten Erdbeben zu erweitern. Gemäss dem von Tepco vorgestellten Programm sollen dabei detaillierte geophysikalische Untersuchungen an Land wie am Meeresboden durchgeführt werden, um die neuen seismischen Vorgaben für das Kraftwerk zu definieren. Zudem soll nach allfälligen aktiven Bruchzonen in der Region und unterhalb des Standorts gesucht werden.

Die Mission der IAEO-Experten erfolgte auf Einladung der japanischen Regierung. Ziel war, die vorläufigen Erkenntnisse aus dem Erdbeben zu dokumentieren, damit sie weltweit genutzt werden können. Die Autoren bedanken sich in ihrem Bericht ausdrücklich bei ihren japanischen Gesprächspartnern, die alle Fragen präzis beantwortet und - wo nötig - die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt hätten. Der Bericht kann von der Website der IAEO heruntergeladen werden.

Quelle

M.S. nach IAEO, Medienmitteilung und Bericht, 17. August 2007

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Zur Newsletter-Anmeldung

Profitieren Sie als Mitglied

Werden Sie Mitglied im grössten nuklearen Netzwerk der Schweiz!

Vorteile einer Mitgliedschaft